Flüchtlingspolitik

„Sieben Quadratmeter pro Flüchtling sind kein Luxus”

Bilkay Öney, Ministerin für Integration (Bild: dpa).

Ein neues Flüchtlingsaufnahmegesetz hat Integrationsministerin Bilkay Öney im August angekündigt. Noch vor der Sommerpause soll es in die Expertenanhörung gehen und nach der Sommerpause in den Landtag. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Öney über die Flüchtlingspolitik der Landesregierung.

Frau Öney, wo liegt ihr Reformvorschlag gerade?

Öney: Wir sind in der Schlussphase der Abstimmung mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium. Das neue Gesetz kommt hoffentlich noch vor der Sommerpause in die Anhörung mit externen Experten. Nach der Sommerpause soll es dann in den Landtag

An welchen Punkten hakt es denn im Finanzministerium?

Öney: Natürlich muss der Haushalt konsolidiert werden. Deswegen will ich auch nicht dem Finanzministerium den Schwarzen Peter zuschieben.

30 bis 40 weitere Millionen Euro haben Sie sich schon im Nachtragshaushalt gesichert.

Öney: Weil wir aufgrund der Bamf-Prognose (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) zunächst 6.000 Flüchtlinge in diesem Jahr erwartet und mit 75 Millionen Euro gerechnet haben. Die aktuelle Prognose geht aber von rund 9.000 Flüchtlingen aus. Und wir müssen mehr Taschengeld zahlen. Das ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Ein großer Batzen dürfte wohl für die Unterbringung hinzukommen? Sie wollen die Fläche von 4,5 auf 7 Quadratmeter pro Asylbewerber erhöhen.

Öney: Ein Schäferhund braucht sechs Quadratmeter laut Tierschutz-Hundeverordnung. Wenn wir jetzt von sieben Quadratmetern reden, ist das kein Luxus für die Menschen. Die Anforderungen an die Kreise sind gestuft, sie haben für die Umstellung mindestens die gesamte Legislaturperiode Zeit. Finanziell wirkt sich das so aus, dass die Kreise nach und nach mehr Geld erhalten. Wir erhöhen die Pauschale für die Unterbringung von Jahr zu Jahr um den Mehrbetrag für einen halben Quadratmeter.

Sie haben sich auch immer dafür eingesetzt, dass Asylbewerber Geld oder Gutscheine statt Essenspakete bekommen. Viele Kreise stellen inzwischen von sich aus um. Das müsste sie doch freuen?

Öney: Absolut. Und da reicht auch manchmal ein Impuls. Es ist nicht so, dass man alles von oben verordnen muss. Wenn man die Möglichkeiten aufzeigt und den Menschen dann auch die Möglichkeiten in die Hand gibt, dann kann sich das Gute durchsetzen. Darauf baue ich. Die Umstellung auf Geldleistungen spart zudem Verwaltungsaufwand. Wenn Sie da Mitarbeiter beschäftigen, die Care-Pakete zusammenstellen, das kostet. Gebt den Menschen Geld oder Gutscheine, dann sollen sie sich kaufen, was sie essen wollen, und nicht was wir ihnen hinstellen.

Trotzdem stoßen sie doch auf Widerstand, wenn es um die Frage der Flüchtlingsaufnahme geht?

Öney: Es gibt Landkreise, die tun sich schwer, geeigneten Wohnraum in ihren Gemeinden zu finden. Manchmal gibt es ja auch in der Bevölkerung Vorbehalte gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren aber auch viele gute Beispiele gesehen. Da wurden auf kommunaler Ebene Runde Tische eingerichtet und Lösungen erarbeitet. In vielen Gemeinden gibt es Menschen, die Flüchtlinge ehrenamtlich unterstützen.

Welche Verbesserungen schweben ihnen denn noch vor?

Öney: Wir haben festgeschrieben, dass besonders Schutzbedürftige wie Traumatisierte auch entsprechend betreut werden. Wir wollen auch dafür sorgen, dass die Menschen Deutsch lernen können. Oftmals laufen die Verfahren lange, in der Zwischenzeit ist es sinnvoll, wenn die Asylbewerber die Sprache lernen. Auf Bundesebene haben wir uns dafür eingesetzt, das Arbeitsverbot von einem Jahr zu halbieren. Charmant finde ich auch die Idee, in den Unterkünften mehr Selbstverwaltung zuzulassen: Die Menschen bewirtschaften den Garten und sorgen in der Unterkunft für Sauberkeit und Ordnung. Damit übernehmen sie Verantwortung für das Heim, in dem sie untergebracht sind. Zudem haben sie eine Aufgabe.

Kommen Sie dem Finanzministerium denn auch entgegen?

Öney: Es gibt auch Stellschrauben, an denen wir drehen können. Die Aufenthaltsdauer in der vorläufigen Unterbringung ist bislang mit 29 Monaten kalkuliert. Sie soll aus humanitären und verwaltungsökonomischen Gründen auf 18 Monate gesenkt werden. Auch wenn jemand nach dem Ende des gesetzlichen Arbeitsverbots sofort Arbeit findet und woanders unterkommt, zum Beispiel bei Freunden oder Verwandten, dann gewähren wir ihm diese Möglichkeit.

Ärgert es sie, dass das Verfahren so lange gedauert hat?

Öney: Es war richtig, von Anfang an den Flüchtlingsrat und andere Akteure bei der Erarbeitung der Eckpunkte mitbeteiligt zu haben. Auch die Arbeitskreise der Grünen und der Roten und die Landkreise konnten sich ganz gut darauf einstellen. Die Novellierung braucht eine gute Vorbereitung. Sonst gibt es viel Ärger und Unmut. Das wollten wir vermeiden. Insofern war es auch in Ordnung, dass es jetzt länger gedauert hat.

Quelle:

dpa

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