Luftreinhaltung

Dieselnachrüstung reduziert Stickoxidbelastung deutlich

Eine Sonde eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines Autos. (Foto: © dpa)

Eine Testreihe des ADAC Württemberg zeigt, dass die Nachrüstung von Euro-5-Dieselfahrzeugen mit einer SCR-Technologie den Ausstoß von Stickoxiden um rund 50 Prozent senkt. Die Stickoxid-Emissionen des gesamten Straßenverkehrs könnten durch die flächendeckende Nachrüstung von Dieselfahrzeugen um bis zu 25 Prozent sinken.

Der nachträgliche Einbau von Abgas-Reinigungsanlagen mit einer Selective Catalytic Reduction (SCR)-Technologie kann den Ausstoß von Stickoxiden bei Dieselfahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 5 im Stadtverkehr selbst unter ungünstigen Bedingungen um rund 50 Prozent senken. Im Idealfall sind es sogar über 70 Prozent. Das ist das Kernergebnis einer Testreihe, die der ADAC Württemberg mit Förderung des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg von September 2017 bis Februar 2018 durchgeführt hat.

„Der Test des ADAC Württemberg hat die Fake News der Industrie endgültig widerlegt: Hardware-Nachrüstung funktioniert“, erklärt Dieter Roßkopf, Vorstandsvorsitzender des ADAC Württemberg. „Der Verbraucher kann erwarten, dass die Industrie die Verantwortung für die Produkte übernimmt, die sie bis vor kurzem unter dem Siegel der Umweltverträglichkeit verkauft hat. Politik und Industrie sind jetzt gefordert, schnell zu handeln. Sie haben viel zu lange übersehen, dass die Herstellung von Automobilen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ethische Anforderungen stellt.“

Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, sieht nach diesen Testergebnissen vor allem die Autohersteller in der Pflicht: „Sie haben immer gesagt: Geht nicht, funktioniert nicht, ist zu teuer. Jetzt ist bewiesen: Es geht, es funktioniert, es hat den doppelten Effekt wie eine Software-Nachrüstung. Jetzt müssen die Hersteller endlich ran, denn sie haben schließlich die Verantwortung für die Schlechtleistung bei Euro 5-Fahrzeugen und für die schlechte Luft in den Städten.“

Messungen an zwei Pkw und zwei Transportern vor und nach Umrüstung

Für den Test wurden vier Euro 5-Dieselfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt angekauft. Dabei handelte es sich um ein bis fünf Jahre alte Fahrzeuge mit einer Kilometerlaufleistung zwischen 20.000 und 95.000 Kilometern: ein Mercedes B 180 CDI 1,5 Liter, ein Opel Astra CDTI Sports Tourer mit 1,7 Litern Hubraum, ein VW T5 Multivan 2.0 TDI sowie ein Fiat Ducato 130 Multijet 2,3 D. „Bei der Auswahl der Fahrzeuge war entscheidend, unterschiedliche Hubräume abzudecken und Dieselmotoren mit einer möglichst weiten Verbreitung
auszuwählen“, erklärt Thomas Kassner, Vorstand Technik & Umwelt beim ADAC Württemberg. „Die Transporter wurden ausgewählt, um auch den typischen innerstädtischen Liefer- und Handwerkerverkehr abzubilden.“

Im ADAC Technik Zentrum in Landsberg wurden zunächst die Emissionen der vier Fahrzeuge im Serienzustand sowohl auf dem Prüfstand im WLTC-Zyklus als auch im Realbetrieb gemäß RDE-Standard auf der Straße gemessen. Danach übernahmen die vier Nachrüstungs-Unternehmen die Testfahrzeuge: Dr. Pley (Mercedes B), HJS (Fiat Ducato), Oberland-Mangold (VW T5) und TwinTec (Opel Astra). Für Entwicklung, Einbau und Tests der Funktionsprototypen hatten die Nachrüster nur wenige Wochen Zeit. Nach der Umrüstung wurden die Fahrzeuge wieder in das ADAC Technik Zentrum in Landsberg gebracht und deren Emissionen gemessen.

Die Ergebnisse im Überblick

Die realen Stickoxidemissionen der serienmäßigen Euro 5-Modelle ohne SCR-Umrüstung lagen zum Teil dramatisch über den gesetzlichen Grenzwerten. Die Messergebnisse nach der Umrüstung zeigen eindeutig die hohe Wirksamkeit der Funktionsprototypen auf Basis der SCR-Technologie. So wurden auf dem Prüfstand Stickoxid-Minderungsraten im Stadtverkehr (Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycles (WLTC) kalt 23 Grad Celsius Phasen 1 bis 3) bei einem Kaltstart je nach System zwischen 44 (Dr. Pley) und 61 Prozent (Twintec) gemessen. Bei dem Außerortsteil (WLTC Phase 4) dieser Messung erreichen drei der vier Systeme sogar Minderungsraten zwischen 78 und 88 Prozent. Sobald die Systeme ihre Betriebstemperatur (WLTC warm 23 Grad Celsius Phasen 1 bis 3) erreicht haben, liegen die Reduktionsraten bei allen gut abgestimmten Systemen auch im Stadtverkehr bei über 70 Prozent.

Dass auch im realen Verkehr auf der Straße niedrige Stickoxid-Emissionen erreicht werden können, zeigen die Messungen der Real Driving Emissions (RDE) im realen Fahrbetrieb. Das gilt selbst unter sehr ungünstigen Bedingungen (Außentemperatur circa 4 Grad Celsius), wie die Messergebnisse der Mercedes B-Klasse und des Opel Astra mit den Systemen von Dr. Pley beziehungsweise TwinTec zeigen. „Bei Betrachtung der Gesamtergebnisse wird zwar deutlich, dass die SCR-Nachrüstungen bei niedrigen Temperaturen noch Optimierungspotential haben“, resümiert Dr. Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik ADAC e. V. „Sie zeigen jedoch sehr klar das Potential dieser Technik.“

Auf der Basis der Abgasmessungen wurden unter Berücksichtigung unterschiedlicher Annahmen Szenarien gerechnet, wie hoch die Emissionsminderung des Straßenverkehrs durch eine Nachrüstung von Euro 5-Diesel-Pkw mit SCR-Systemen regional ausfallen könnte. Wenn es zum Beispiel gelänge, fahrleistungsbezogen 75 Prozent dieser Fahrzeuge mit Systemen nachzurüsten, die 70 Prozent der Stickoxide zurückhalten können, würden die kumulierten Emissionen des Straßenverkehrs am Stuttgarter Neckartor um 18,5 Prozent sinken. Unter optimistischeren Annahmen könnte dieser Wert sogar auf bis zu 30 Prozent ansteigen.

Gesetzgeber muss Rahmenbedingungen für Nachrüstlösungen festlegen

Zusätzlich zu den Stickoxid-Emissionen wurden im Rahmen des Projekts weitere Daten erhoben. So steigen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen durch die SCR-Nachrüstung um ein bis sechs Prozent. Der Verbrauch von AdBlue® bewegt sich in einer Spanne von 1,5 bis 2,8 Liter pro 1.000 Kilometer. Die Kosten einer
Nachrüstung für den Verbraucher werden von den unterschiedlichen Anbietern mit 1.400 Euro bis 3.300 Euro inklusive Einbau angegeben. „Nach unserer Einschätzung dürften die Kosten allerdings im oberen Drittel der genannten Preisspanne liegen“, so Kolke.

Die Markteinführung erster Nachrüstsysteme in Großserienfertigung wäre laut Nachrüster unter zwei Bedingungen zeitnah möglich: Der Gesetzgeber muss schnell gesetzliche Rahmenbedingungen für die Zertifizierung und Überprüfung von SCR-Nachrüstlösungen festlegen. Zudem ist die Kooperationsbereitschaft der Autohersteller eine weitere wichtige Voraussetzung. „Es bedarf weiterer Entwicklungsarbeit, die mit Unterstützung der Hersteller zu einer schnelleren Serienreife führen würde. Insbesondere beim Abgriff von relevanten Fahrzeugdaten, die für die korrekte Funktion des Nachrüstsystems unabdingbar sind, und beim Zugang zu Lieferanten können Hersteller aktiv mitwirken“, erklärt Dieter Roßkopf, Vorstandsvorsitzender des ADAC Württemberg.

ADAC: Rund 50 Prozent weniger Stickoxide

Quelle:

ADAC

Weitere Meldungen

Breisgau-S-Bahn im Landesdesign (bwegt)
  • Schienenverkehr

Zuverlässigkeit auf der Breisgau-S-Bahn wird verbessert

Zwei junge Frauen zeigen auf den Monitor und diskutieren gemeinsam über die Präsentation am Computer.
  • Fachkräfte

Landesregierung startet Fachkräfteinitiative

Polizist der Polizei Baden-Württemberg kontrolliert den Verkehr.
  • Verkehr

Bundesweiter Aktionstag zur Sicherheit im Güterverkehr

Autos fahren in Stuttgart (Foto: © dpa)
  • Verkehr

Statt Fahrverbote wirksame Maßnahmen für weniger CO2-Ausstoß

Mit einem digitalen Lasergeschwindigkeitsmessgerät wird der Verkehr auf der Autobahn A5 bei Müllheim überwacht. (Foto: dpa)
  • Verkehrssicherheit

Europaweiter Speedmarathon

RE zwischen Singen und Stuttgart (Gäubahn) - hier zwischen Aistaig und Sulz, im Vordergrund der Neckar (Bild: Deutsche Bahn AG/ Georg Wagner)
  • Schienenverkehr

Land plant deutliche Angebotsverbesserungen auf und zu der Gäubahn

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) und der lombardische Staatssekretär für internationale Angelegenheiten Raffaele Cattaneo (rechts)
  • Europa

Land übergibt Präsidentschaft der „Vier Motoren für Europa“

Im Energiepark Mainz ist der verdichtete grüne Wasserstoff aus einem Elektrolyseur in Tanks gelagert.
  • Wasserstoff

Ausgestaltung des Wasserstoffkernnetzes

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 9. April 2024

Außenansicht des Klinikums Ludwigsburg mit fliegendem Hubschrauber
  • Gesundheit

248 Millionen Euro für Krankenhäuser

Verkehrsminister Winfried Hermann (Mitte) beim offiziellen Start der Batteriezüge Mireo Plus im Fahrgastbetrieb
  • Schienenverkehr

Batterie statt Diesel

Die Außenaufnahme zeigt die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Raum Offenburg bei Griesheim
  • Wasserwirtschaft

174,4 Millionen Euro für kommunale Wasserwirtschaft

Ladekabel für ein E-Auto wird in das Fahrzeug gesteckt.
  • Elektromobilität

Charge@BW bringt Schub bei Ladeinfrastruktur und E-Mobilität

Felsbrocken liegen in Braunsbach auf einer Baustelle. (Bild: Marijan Murat / dpa)
  • Stadtentwicklung

„Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ weiterentwickelt

Offizielle Freigabe der neuen Enzbrücke
  • Strasse

Ersatzneubau der Enzbrücke Niefern eröffnet

Ein Stethoskop liegt auf Unterlagen mit Schaubildern.
  • Gesundheitswirtschaft

Gesundheitsindustrie gewinnt an Bedeutung

Ein Mann setzt sich eine Spritze mit Heroin in den Arm.
  • Gesundheit

Zahl der Drogentoten deutlich zurückgegangen

Glückliche junge Mutter mit neugeborenem Baby im Krankenhaus nach der Geburt.
  • Krankenhäuser

Mehr als 15 Millionen Euro für Kliniken mit Geburtshilfe

Schüler in Inklusionsklasse spielen Karten
  • Inklusion

Welt-Autismus-Tag 2024

Zwei Lokführer stehen am Kopf eines Zuges der SWEG und lachen in die Kamera.
  • Nahverkehr

Bündnis gegen Fachkräftemangel im ÖPNV

Zwei Busse der Dachmarke bwegt
  • Nahverkehr

Kostensteigerungen in der Busbranche gedämpft

Ein Vermessungsgerät steht auf einer Autobahnbaustelle.
  • Straßenbau

Weitere Großprojekte an DEGES vergeben

Polizisten kontrollieren ein Auto.
  • Verkehrssicherheit

Bundesweite Kontrollaktion gegen die Autoposerszene

Ein Bauarbeiter bedient eine große Baumaschine auf einer Autobahnbaustelle. (Bild: © dpa)
  • STRASSENBAU

Sanierung des Bundes- und des Landesstraßennetzes

  • Verkehrssicherheit

Weniger schwerverletzte Verkehrsteilnehmer

// //