Nach dem Zweiten Weltkrieg schien eine Versöhnung zwischen den einstigen erbitterten Feinden kaum möglich. Das Tischtuch zwischen den beiden Nachbarn schien für immer zerschnitten.
Trotzdem sollten sich die beiden Länder wieder aneinander annähern. Heute verbindet Deutschland und Frankreich eine feste Partnerschaft innerhalb der Europäischen Union.
Den Anfang macht der französische Politiker Robert Schuman. Er spricht sich schon früh für eine Aussöhnung mit Deutschland aus. 1950 wirbt er mit seinem Schuman-Plan dafür, die deutsche und französische Kohle- und Stahlproduktion zusammenzulegen. Ein Jahr später gründen Deutschland, Frankreich, Italien und die Beneluxstaaten die Montanunion. Die Produktion von Kohle und Stahl, und damit den zentralen Rohstoffe für die Rüstung, unterliegen fortan der Aufsicht einer gemeinsamen Behörde.
Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten und ihrer politischen Führer bleibt jedoch gespannt. Eine erste Einladung des französischen Präsidenten Charles de Gaulle lehnt Bundeskanzler Adenauer ab. Er befürchtet, dass er sich mit dem ehemaligen Chef des französischen Widerstands gegen die Nazis nicht verstehen würde. Kurz darauf lädt de Gaulle Adenauer erneut ein. Um zu zeigen wie wichtig ihm ein Zusammentreffen der beiden Regierungschefs ist, lädt er Adenauer 1958 sogar in sein privates Haus in Colombey-les-Deux-Eglises ein. Adenauer war der einzige Regierungschef, dem jemals diese Ehre zuteilwurde.
Das Treffen der beiden geht als Wunder von Colombey in die Geschichte ein. De Gaulle selbst schreibt in einer Pressemitteilung:
„Wir glauben, dass die vergangene Gegnerschaft ein für alle Mal überwunden sein muss und dass Franzosen und Deutsche dazu berufen sind, im gutem Einverständnis zu leben und Seite an Seite zu arbeiten.“
In seinen Memoiren schreibt de Gaulle später, dass gerade die Kulisse des Familienhauses, anstatt der des Palastes für die historische Aussprache zwischen dem „alten Franzosen“ und „sehr alten Deutschen“ wichtig war.
Es soll trotzdem noch fast vier weitere Jahre dauern, bis Adenauer im Juli 1962 zum ersten offiziellen Staatsbesuch nach Frankreich reist. Der Höhepunkt Adenauers Reise ist eine Messe in der Kathedrale von Reims. Die Messe in der im ersten Weltkrieg zerstörten Kathedrale ist ein Symbol der Aussöhnung zwischen den einstigen Feinden Deutschland und Frankreich.
Schon zwei Monate später, vom 6. bis zum 9. September 1962 kommt de Gaulle zum Gegenbesuch nach Deutschland. Er besucht die damalige Bundeshauptstadt Bonn reist am Rhein entlang weiter nach Köln und Düsseldorf. Nach Station in der Hansestadt Hamburg und München kommt er am 9. September nach Stuttgart. Einem Besuch der in Stuttgart stationierten französischen Truppen folgt ein Empfang in der Villa Reitzenstein. Anschließend bricht er am Nachmittag nach Ludwigburg auf. Im Gepäck hatte de Gaulle eine ganz besondere Rede.
Um halb sechs begrüßen Bundespräsident Lübke und Bundeskanzler Adenauer den französischen Präsidenten im Hof des Ludwigsburger Schlosses. Nach einer kurzen Eröffnungsrede Lübkes tritt Charles de Gaulle unter dem Jubel der Zuschauer an das mit Mikrophonen übersäte Rednerpult. De Gaulle hält den Inhalt seiner Rede so bedeutend, dass er sie auf Deutsch hält. Die 10.000 Zuschauer im Hof des Ludwigsburger Schlosses sind hauptsächlich junge Menschen aus der ersten Nachkriegsgeneration. Unter Ihnen ist auch der spätere Bundespräsident Horst Köhler.
De Gaulle hält keine Schuldrede, bezeichnet die Deutschen sogar als großes Volk. Dieses habe im Laufe seiner Geschichte allerdings manchen großen Fehler gemacht, aber der Welt auch geistige, wissenschaftliche, künstlerische und philosophische Erkenntnisse gebracht. Seine Rede ist kein Blick zurück, sondern die Vision einer deutsch-französischen Zukunft – einer Zukunft in Freundschaft. Deutschland und Frankreich befänden sich in einer in durch den kalten Krieg in zwei Lager aufgeteilten Welt. Dabei stünden beide Länder auf der gleichen Seite. Beide Völker müssten ihrem Ideal die Treue halten. Die nun ganz natürliche Solidarität der beiden Staaten müsse von der Politik organisiert werden.
Aber de Gaulle erkennt, dass alle staatliche Organisation, wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit fruchtlos bleiben müssen, wenn der neue Geist nicht auch von der neuen Generation gelebt wird. Er fordert die deutsche Jugend auf, dass:
„alle Kreise, bei Ihnen und bei uns dazu zu bestreben, engere Bande zu knüpfen, einander immer näher zu kommen, und […] sich besser kennen zu lernen. […] Die Zukunft unserer beiden Völker, der Grundstein auf welchem die Einheit Europas gebaut [werden] kann und muss.“
Der höchste Trumpf für die freie Welt blieben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk.
In Anschluss an de Gaulles Besuch in Deutschland beginnen beide Länder einen Vertrag auszuhandeln. Gut vier Monate später unterzeichnen de Gaulle und Adenauer am 22. Januar 1963 den deutsch-französischen Freundschaftsvertag. Der Vertag wird auch, nach dem Sitz des französischen Präsidenten, „Élysée-Vertag“ genannt. Der Vertrag bindet die einst so verfeindeten Länder noch enger aneinander. Deutschland und Frankreich verständigen sich darauf sowohl in der Außenpolitik, der Verteidigung und der Bildung der Jugend zu kooperieren. In den Schulen soll
In den letzten 50 Jahren ist viel geschehen. Die Bindung der beiden Länder ist immer enger geworden. Die deutsche Kanzlerin, wie die meisten ehemaligen Kanzler und die französischen Staatspräsidenten pflegten seit der Verbindung Adenauer – de Gaulle immer eine enge Beziehung. Die Freundschaft zwischen Helmut Schmitt und Valéry Giscard d’Estaing, dem konservativen Helmut Kohl und dem Sozialisten François Mitterrand, dem Sozialdemokraten Gerhard Schröder und dem konservativen Jacques Chriac sind konstanten in der gemeinsamen Geschichte der Länder. Sie zeigen zudem, dass die Deutsch-Französische Freundschaft wichtiger als politische Überzeugungen ist und auch über Parteigrenzen hinweg gepflegt wurde.