Interview

"Ich habe nach wie vor großen Respekt vor diesem Amt"

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Foto: dpa)

Im SWR-Interview spricht Ministerpräsident Winfried Kretschmann über das Amt des Ministerpräsidenten, sein Verhältnis zu den Medien und die Notwendigkeit der Energiewende.

SWR: „Ich bin nicht aufgeregt, aber ich habe Respekt vor dem Amt!“ Das haben Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, gesagt vor‘m Start im Amt. Und Sie haben auch gesagt, „wenn ich ehrlich bin, befremdet es mich, dass ich so wichtig geworden bin!“ Bleiben Sie dabei? Eine gesunde Distanz zum Amt im Amt ist wesentlich und eine gesunde Distanz auch zu den Medien tut ganz gut?

Kretschmann: Gut, eine Distanz zum eigenen Amt in dem Sinne habe ich natürlich nicht mehr. Aber ich habe natürlich nach wie vor großen Respekt vor diesem Amt. Der ist eher gewachsen, denn die Erwartungen jetzt nach fast 60 Jahren CDU-geführten Landesregierung an mich und meine Koalition sind sehr, sehr hoch. Und ich weiß natürlich, dass ich diese Erwartungen nicht alle erfüllen kann. Wir stehen ja auch vor durchaus großen Herausforderungen. Wir müssen den Haushalt sanieren, dürfen ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen. Und das kann man nicht machen, ohne dass das jemanden merkt. Ja, man kann es in Wirklichkeit auch nicht machen ohne das es auch schmerzt im Einzelfall. Also, da habe ich schon Respekt und Distanz insofern, dass ich weiß: Dieses Amt ist mir auf Zeit verliehen. Und man darf sich in das, was die Leute so für Macht halten, nicht wirklich verlieben.

SWR: Wie ist das mit der gesunden Distanz zu den Medien? Also zu uns auch zum Beispiel? Ist das auch ganz gut da immer dran zu denken?

Kretschmann: Ohne Medien, ohne gute Medien können wir keine Politik machen. Das geht in der Demokratie nicht. Aber ich denke man darf nicht Politik machen der Medien wegen. Man muss seine Sachpolitik machen. Aufgabe der Medien ist es zu transportieren. Und insofern habe ich, glaube ich, ein ganz normales Verhältnis. Also weder laufe ich den Medien davon, noch laufe ich ihnen hinterher.

SWR: In diesen Tagen muss man Sie danach fragen, Herr Ministerpräsident. Sie haben also, verstehe ich Sie richtig, noch nicht auf die Mailbox eines Chefredakteurs gesprochen?

Kretschmann: Nein, ich spreche sowieso ganz ungern auf „tote Geräte“. Insofern wäre die Gefahr bei mir sowieso gering. Auf Anrufbeantworter spreche ich nur technische Ansagen, wann ich nach Hause komme oder ähnliches.

SWR: Die Bündnis/Grünen im Bund, Ihre Parteikollegen, sprechen von einem bizarren Spektakel und meinen natürlich den Bundespräsidenten und alles was um ihn herum passiert. Die Bündnis/Grünen im Bund sagen auch: Dieser Bundespräsident, dieses Staatsoberhaupt, sei angeschlagen. Sie sprechen aber nicht von Rücktritt. Was sagen Sie, Herr Kretschmann? Ist das Vertrauen in Christian Wulff noch ausreichend?

Kretschmann: Also, erst mal muss man sehen: Es ist nicht Aufgabe des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg den Bundespräsidenten zu kritisieren. Dass was ihm vorgehalten wird, stammt im wesentlichen aus seiner Amtszeit als Ministerpräsident. Da sind die Parlamentarier gefordert. Die haben eine Kontrollfunktion, nicht ich. Und ich halte mich mit Bewertungen zurück. Es ist nicht meine Aufgabe.

SWR: Die Recherchen in Sachen Ministergesetz und Christian Wulff laufen ja an im niedersächsischen Landtag in Hannover. Und die Recherchen in Sachen BW-Bank laufen bei uns im Südwesten an in Baden Württemberg. Wie ist hier der Stand der Dinge? Wo befindet sich die Überprüfung oder Prüfung bankintern gerade?

Kretschmann: Am 13. Februar wird der Prüfungsausschuss der BW-Bank, der für solche Fragen zuständig ist, diese Fragen beraten und für die Mitglieder dort offenlegen. Es ist klar, dass eine Bank, an der die öffentliche Hand beteiligt ist, auch solche Fragen sehr stark achten muss. Klar ist jedenfalls, dass eine Bank Politikern keine privilegierten Kredite geben darf. Ich meine, das ist ohne Frage. Und ob das der Fall war oder nicht, das wird dieser Prüfungsausschuss entscheiden.

SWR: Das SWR-Interview der Woche mit Winfried Kretschmann, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten und wir kommen zu zwei entscheidenden Themen auch diesen neuen Jahres und zwar entscheidend für‘s Land insgesamt und für den Südwesten. Das sind die Themen Energiewende und eine stärkere Beteiligung der Bürger. Herr Ministerpräsident, Sie wollen beides. Sie wollen die Energiewende, also den schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie und den schnelleren Einstieg in die erneuerbaren Energien und Sie wollen vorne weg auch sehr viel mehr als andere mehr Bürgerbeteiligung. Nun kann es aber sein, dass Sie mit mehr Bürgerbeteiligung die Energiewende regelrecht ausbremsen. Sehen Sie die Gefahr?

Kretschmann: Die Gefahr sehe ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Beispielsweise müssen wir im Südwesten die Windkraft sehr stark ausbauen. Wir liegen unter ein Prozent am Schluss aller Flächenstaaten. Das heißt, wir müssen in den nächsten Jahren bis 2020 etwa 1000 Windkraft-Anlagen aufstellen. Natürlich muss man da mit Widerstand in einzelnen Fällen rechnen. Aber insgesamt werden wir das versuchen so zu konzipieren, dass wir die Bürger nicht nur an den Verfahren beteiligen, sondern dass wir sie auch finanziell beteiligen. Das heißt zum Beispiel, dass Energieunternehmen, an dem wir beteiligt sind, die EnBw, so was auflegt. Dass wir „Bürger-Windräder“ haben, an denen sich die Menschen auch finanziell beteiligen können. Und wenn man das richtig macht, dann wird genau der umgekehrte Fall eintreten: Die Leute werden sich um die Standorte reißen. So sehe ich das eher.

SWR: Über die beiden wesentlichen Themen, Energiewende und Bürgerbeteiligung, haben wir gesprochen. Wichtig für den Beritt Gerechtigkeit und Fairness in der Gesellschaft ist zum Beispiel das Thema Mindestlohn. Und wenn wir diese drei Themen politisch- taktisch betrachten, dann ergibt sich im Moment die Situation, dass die CDU der SPD und auch Ihnen, den Grünen, mit ihren Partei-Entscheidungen, zumindest den Ankündigungen, beide Themen sozusagen „mopst“ und Sie dadurch auch entwaffnet. Was machen Sie dagegen? Wo entwaffnen Sie jetzt mal die CDU? Es gibt ja kein Copyright in der Politik, aber es wäre doch einmal ein Versuch von den Grünen.

Kretschmann: Na ja, wir sind im Wettstreit und nicht im Krieg. Deswegen muss ich niemanden entwaffnen. Man muss sehen: Letztlich ist es immer das Ziel, das andere auch das übernehmen, was man will. Und ich denke, die Menschen sehen schon: Der macht sozusagen das Tempo und geht voraus, und der rennt hinter her. Wir können ja auch auf fast allen Gebieten sehen, dass die Union, sei das nur in der Bildung oder bei dieser Frage, oder bei der Energiefrage, dauernd ihre Position korrigieren muss und sich unseren annähern muss. Also insofern habe ich da keine Ängste, dass uns was weggenommen wird. Sie müssen es einfach so sehen. Im Kern ist es so: Eine nachhaltige Politik zu machen, ökologisch-sozial beim Haushalt - das ist eine Jahrhundert-Aufgabe. Da rennt einem nichts davon.

SWR: Sollte die Union stärkste politische Kraft werden, dann kann gegen sie niemand regieren. Das steckt ja kalkuliert dahinter. Was zur Folge hätte: Eine dritte Amtszeit für Angela Merkel - entweder als Kanzlerin einer Großen Koalition oder eben als Chefin einer schwarz-grünen Koalition. Was kalkulieren Sie? Sie müssen doch auch, in dem Sinne wie es die Kanzlerin tut auf der Strecke bis 2013, taktisch denken.

Kretschmann: Jetzt erst mal müssen Sie es so sehen, ich habe gerade gesagt: Die Union ist ja nicht gerade gut orientiert. Und wer nicht selber orientiert ist, der kann auch keine Orientierung geben. Und deswegen ist es eigentlich angesagt, diese Union jetzt auf die Oppositions-Bänke zu schicken. Da habe ich große Erfahrung. Ich saß 30 Jahre auf diesen Bänken. Die sind hart und das regt das Denken an. Ja, also, das ist eigentlich die richtige Ansage. Und darum werden wir kämpfen, dass Schwarz-Gelb abgelöst wird und wir auch dort mit den Sozialdemokraten regieren. Wenn das nicht gelingt, dann sind natürlich auch andere Optionen möglich. Das ist klar. Jedenfalls muss man immer gucken, dass man entweder selber an die Regierung kommt oder der Einfluss auf die anderen Kräfte so ist, dass, wenn man nicht an die Regierung, doch vieles vom eigenen Programm dann von den anderen durchgesetzt ist. Insofern ist es immer wichtig gute Vorschläge zu machen, egal ob man in die Regierung kommt oder in der Opposition landet.

SWR: Noch eine Frage zur Taktik bitte, wenn Sie gestatten. Sie haben es angedeutet, aber nicht ausgesprochen: Was ist denn mit Ihrer Lieblings-Farben-Kombination Schwarz-Grün?

Kretschmann: Sie müssen‘s einfach so sehen: Ich war lange Zeit ein Anhänger von Schwarz-Grün, um dann mit den ökologischen Gedanken über eine wirtschaftsnahe Partei ins Zentrum der Wirtschaft zu transportieren. Heute ist es so: Die Wirtschaft ist weiter als die CDU. Die CDU hängt den Entwicklungen hinterher. Grüne Produktlinien, die Energie und Ressourcen sparen, das ist heute sozusagen Topthema in der Wirtschaft. Und man sieht es jetzt etwa in der FDP, die redet jetzt ganz blind von Wachstum. Die CDU hinkt dem auch hinter her. Ich sehe das am Kollegen Röttgen, wie allein der oft steht mit seinen Positionen in seiner Partei. Insofern ist es wichtig, dass wir einen eigenständigen Kurs fahren. Und ich sehe es eher so: Wir müssen stark sein und dabei sein. Hier führen wir sogar eine Regierung. Das ist natürlich das Beste! Dann können wir unsere Ideen verwirklichen. Und es ist immer schwierig mit den Schwarzen wie mit den Roten.

Quelle:

SWR
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