Interview

„Der Sinn von Politik ist Freiheit“

Porträtfoto von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Der neue Film von Margarethe von Trotta „Hannah Arendt” lockt auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann ins Kino. Denn die Gelehrte gehört zu seinen politischen Leitfiguren. Der Regierungschef, der an diesem Freitag den Streifen ansieht und anschließend mit der Regisseurin diskutiert, attestiert Arendt eine „außergewöhnliche Unabhängigkeit des Denkens”.

In einer Biografie über Sie wird die Gelehrte Hannah Arendt Ihr «Fixstern» genannt. Wie ist das zu verstehen?

Winfried Kretschmann: Meine politische Grundorientierung ist von Hannah Arendts politischer Philosophie stark durchdrungen. Hannah Arendt und ihr Werk bilden ebenso wie das der Schweizer Philosophin Jeanne Hersch - beide Jaspers-Schülerinnen – die Grundlage für mein politisches Handeln und sind nicht nur ein x-beliebiger Fundus für wohlklingende Zitate.

Wie sind Sie auf die Wissenschaftlerin gestoßen?

Winfried Kretschmann: Schon als Student in der nach-68er Zeit habe ich mich mit ihr beschäftigt.

Welches ist für Sie ihr wichtigstes Werk?

Winfried Kretschmann: „Vita Activa oder vom tätigen Leben”. In diesem Werk umreißt sie die Politik als den Kernbereich des menschlichen Handelns.

Was kann man als Politiker heute von ihr lernen?

Winfried Kretschmann: Man kann von ihr lernen, dass nicht das politische Amt, das man innehat, Macht verleiht. Vielmehr entsteht Macht, in dem sich Menschen um eine Idee versammeln und gemeinschaftlich handeln. Darauf gründet meine Idee der Politik in der Bürgergesellschaft.

Konnten Sie damals die Kritik an ihren Artikeln über den Eichmann-Prozess und an ihrer Formulierung von der «Banalität des Bösen» im Blick auf einen NS-Verbrecher nachvollziehen?

Winfried Kretschmann: Diese Kritik konnte ich teilweise nachvollziehen. Denn ihre Kritik etwa an den Judenräten zum Beispiel im KZ Theresienstadt erschien mir in der Tat überzogen. Andererseits zeigten gerade ihre Auffassungen von der „Banalität des Bösen” die außergewöhnliche Unabhängigkeit ihres Denkens.

Welches ist Ihr Lieblingszitat und warum?

Winfried Kretschmann: „Grundlage aller Politik ist die Pluralität des Menschen” und „Der Sinn von Politik ist Freiheit”. Weil die Menschen verschieden sind, ist die Geburt eines jeden Menschen so etwas wie ein kleiner Neubeginn der Welt. Er kann auf Ideen kommen, die noch nie jemand vor ihm hatte, und zusammen mit anderen handeln und somit die Welt verändern und gestalten. Dies zu ermöglichen, ist der Sinn von Politik in einer Demokratie, die diesen Freiheitsrahmen ermöglicht.

Quelle:

dpa
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