Länderfinanzausgleich

"Da ist ein dickes Brett zu bohren"

Portätfoto von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann will den Länderfinanzausgleich neu gestalten – und setzt dafür auf Verhandlungen. Baden-Württemberg könne dabei eine Brückenfunktion übernehmen, so Kretschmann im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Stuttgarter Nachrichten: Herr Ministerpräsident, als Sie im Frühjahr 2011 Ihr Amt antraten, haben Sie entschieden, im Unterschied zur alten Landesregierung nicht gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Stattdessen wollten Sie das Gespräch mit den anderen Bundesländern suchen. Aber nichts ist passiert. Woran liegt das?

Kretschmann: Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nur das letzte Mittel ist, wenn sich die Nehmerländer wirklich weigern würden, überhaupt ernsthaft mit uns Geberländern zu verhandeln. Wir haben jetzt aber den ersten Aufschlag in einer vertraulichen Runde der Ministerpräsidentenkonferenz gemacht, und ich habe vor, das Thema bald wieder auf die Tagesordnung zu nehmen.

Stuttgarter Nachrichten: Sie wollen also erneut versuchen, mit den Nehmerländern ins Gespräch zu kommen?

Kretschmann: So ist es vorgesehen und auch mit meinen beiden Amtskollegen in Bayern und Hessen vereinbart. Denn wir drei als maßgebliche Geberländer müssen das Thema jetzt forcieren.

Stuttgarter Nachrichten: Aber kein Nehmerland wird von sich aus auf Geld verzichten. Was stimmt Sie optimistisch, auch ohne Klage zu einem Erfolg zu kommen, auf dass Baden-Württemberg künftig nicht mehr so viel zahlt?

Kretschmann: Der gegenwärtige Länderfinanzausgleich ist anreiz- und leistungsfeindlich. Es ist kein echter Wettbewerb möglich. Hinzu kommt, dass das ganze System des finanziellen Ausgleichs zwischen Bund und Ländern, aber auch untereinander zwischen den Bundesländern undurchschaubar ist und nur noch von wenigen verstanden wird. Solch eine Intransparenz zeigt doch, dass das System nichts taugt. Seit der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2001 hat sich leider nichts geändert. Neuerungen können wir aber nur gemeinsam mit allen Bundesländern erreichen. Und ich bin überzeugt, dass wir ein vernünftigeres Ausgleichssystem brauchen. Es kann doch nicht sein, dass wir mehr Steuern einnehmen, dann aber das meiste abgeben müssen. Nimmt ein Nehmerland mehr ein, bekommt es weniger. Das ist abstrus.

Stuttgarter Nachrichten: Genau deshalb hatten Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im Frühjahr 2011 die Klage beschlossen. Aber Sie machen nicht mit, die beiden anderen Länder wollen nun nicht mehr länger warten. Haben Sie Verständnis dafür?

Kretschmann: Natürlich habe ich das, immerhin zahlt Bayern inzwischen mit rund 3,5 Milliarden Euro jedes Jahr über die Hälfte des Länderfinanzausgleichs. Da ist man mit der Geduld am Ende. Aber ich bleibe dabei, dass ich es erst noch mal mit ernsthaften Verhandlungen mit den Nehmerländern versuchen will.

Stuttgarter Nachrichten: Nochmals: Solche Gespräche haben Sie schon vor Monaten angekündigt, aber es gibt keine Besserung.

Kretschmann: So etwas zu verhandeln dauert Jahre. Da braucht man Geduld, weil es ein dickes Brett ist, das man da bohren muss. Da wir aber noch Zeit haben, weil der geltende Länderfinanzausgleich noch bis 2019 in Kraft ist, ist die Chance viel größer, eine Neuordnung zu erreichen, als wenn man jetzt unter Zeitdruck verhandeln müsste. Da käme wieder nur ein Kuhhandel heraus. Aber die Chance, zu einer Lösung zu kommen, ist auch aus einem anderen Grund jetzt größer. Früher waren die Geberländer alle schwarz regiert, dann ging es beim Thema Länderfinanzausgleich immer Schwarz gegen Rot. Jetzt ist durch die grüngeführte Regierung in Baden-Württemberg eine neue Konstellation entstanden. Da übernehmen wir eine Art Brückenfunktion.

Stuttgarter Nachrichten: Was werden Sie den Nehmerländern anbieten, damit die auf Ihre Linie einschwenken?

Kretschmann: Natürlich die Aussicht, aus dieser Situation herauszukommen. Das hat in der Vergangenheit nur Bayern geschafft. Mit einem neuen Ausgleichssystem, das Anreize schafft, anstatt sie zu behindern, können das in der Zukunft aber weitere Nehmerländer schaffen und damit erreichen, dass sie auf eigenen Füßen stehen. Wer hält schon gerne die Hand auf.

Stuttgarter Nachrichten: Wie ist der weitere Zeitplan?

Kretschmann: Wir haben jetzt auf der Arbeitsebene alles mal zusammengetragen, was die Bundesländer einerseits bezahlen, andererseits aber auch erhalten. Das betrifft auch Baden-Württemberg. Wir zahlen zwar rund 1,5 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich, erhalten aber auch enorme Forschungsgelder für unsere Universitäten aus der Exzellenz-Initiative des Bundes. Das wird natürlich von anderen Bundesländern kritisch beäugt. Daran sehen Sie, dass die Reform gar nicht so leicht wird.

Stuttgarter Nachrichten: Aber so bleiben soll es nach Ihrer Auffassung auch nicht.

Kretschmann: Deshalb werden wir uns auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im März sicher damit beschäftigen. Entsprechende Vorarbeiten dazu laufen bereits. Mein Ziel ist es jedenfalls, dass wir die Reform in den nächsten drei Jahren hinbekommen und damit deutlich vor dem Jahr 2019.

Das Interview führte Frank Krause.

Quelle:

Stuttgarter Nachrichten
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