Justizminister Rainer Stickelberger hat eine hochrangige Delegation der chinesischen Justiz im Justizministerium empfangen. Als einen der wesentlichen Unterschiede, der bei Besuchen deutscher Delegationen in China regelmäßig hinterfragt werde, sprach der Minister auch die richterliche Unabhängigkeit an.
Die Gäste nehmen an Workshops teil und wohnen Gerichtsverhandlungen bei, über die im Anschluss im kleinen Kreis diskutiert wird. „Wer sich mit Kolleginnen und Kollegen austauscht, die in einem anderen Land im Grundsatz dieselben Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, erhält nicht nur interessante neue Eindrücke“, sagte der Justizminister. „Häufig führen solche Begegnungen auch zu einem neuen Blick auf das eigene Rechtssystem.“
Als einen der wesentlichen Unterschiede, der bei Besuchen deutscher Delegationen in China regelmäßig hinterfragt werde, sprach der Minister die richterliche Unabhängigkeit an. Er erläuterte, dass diese in Deutschland durch die Verfassung garantiert sei. Damit sei jeder Einfluss auf gerichtliche Entscheidungen durch das Ministerium ausgeschlossen. „Die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist ausschließlich auf dem von den Prozessordnungen geregelten Weg möglich“, stellte er fest. „Dieser für eine unabhängige Justiz wesentliche Grundsatz hat sich nach ganz allgemeiner Überzeugung bewährt.“
Auch im chinesischen Rechtssystem besteht die Gelegenheit, gegen Entscheidungen von Gerichten bei einer höheren Instanz Berufung einzulegen. Allerdings gibt es dort zusätzlich sogenannte - in der Regel politisch besetzte - Rechtsausschüsse an jedem Gericht, die schwierige Fälle an sich ziehen und auch Urteile aufheben können. Während vergangener gegenseitiger Besuche haben sich chinesische Richterinnen und Richter immer wieder erstaunt darüber gezeigt, dass in Deutschland ein Justizminister oder eine Justizministerin keinen Einfluss auf den Ausgang eines Verfahrens nehmen kann - auch nicht bei politisch brisanten Fällen.
Die Gerichtspartnerschaft
Die Gerichtspartnerschaft zwischen dem Oberlandesgericht Stuttgart und dem Obervolksgericht der chinesischen Provinz Henan wurde im Jahr 2010 im chinesischen Zhengzhou gegründet. Vergleichbare Partnerschaften mit Gerichten in chinesischen Provinzen gibt es in Berlin und in Nordrhein-Westfalen.
Seit Bestehen der Partnerschaft zwischen dem Oberlandesgericht Stuttgart und dem Obervolksgericht Henan gab es mehrere gegenseitige Studienaufenthalte, Seminare und Fortbildungsveranstaltungen. Dreimal besuchten Delegationen aus Baden-Württemberg die chinesischen Partnerinnen und Partner, zuletzt im Sommer diesen Jahres. Die aktuelle Delegationsreise aus China ist die zweite dieser Art.
Ziel der Gerichtspartnerschaft ist der Erfahrungsaustausch, insbesondere zu Gerichtsverfahren, alternativen Streitbeilegungsverfahren, der Organisation von Gerichten, Öffentlichkeitsarbeit sowie der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern.
Das Projekt wird von der Robert Bosch Stiftung finanziert und von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GIZ) organisatorisch unterstützt.