Interview

„Steuergerechtigkeit ist uns ein großes Anliegen“

Finanzministerin Edith Sitzmann (r.) beim Interview mit Gabi Renz vom Südkurier

Im Interview mit dem Südkurier gibt Finanzministerin Edith Sitzmann Einblicke in die Themen, die Finanzministern unter den Nägeln brennen, erläutert, was es bei der Jahreskonferenz zu besprechen gibt, und schildert, worauf es im Kampf für Steuergerechtigkeit ankommt.

Südkurier: Im Mai laden Sie die Finanzminister an den Bodensee. Andere Fachminister tagen ein oder zweimal im Jahr, Sie fast monatlich. Haben Sie so viel Beratungsbedarf?

Edith Sitzmann: Ja, den gibt es tatsächlich. 2016 haben sich die Finanzminister der Länder zwölf Mal getroffen und 85 verschiedene Tagesordnungspunkte beraten. Daran sieht man: wir kommen zwar auch zusammen, weil wir uns gern sehen, aber vor allem, weil es viel Beratungsstoff gibt. Es ist sehr wichtig, sich in vielen Fragen unter den Ländern aber auch mit dem Bund abzustimmen. Die Jahrestagung der Finanzminister ist allerdings etwas anderes und Besonderes. Sie findet nur alle 16 Jahre hier in Baden-Württemberg statt. Sie war schon in Heidelberg, zweimal in Stuttgart und 2001 zuletzt in Baden-Baden. Nun kommen wir nach Konstanz.

Welche Themen brennen allen Länder-Finanzministern unter den Nägeln?

Sitzmann: Wir Länderminister sind für die Erhebung der Steuern zuständig und zusammen mit dem Bund gestalten wir die Steuergesetze. Aber es gibt auch andere Themen wie eine Regelung mit dem schönen Namen „Wohnimmobilienkreditrichtlinienänderungsgesetz“. Das klingt sehr abstrakt, aber letztlich geht es darum, dass Leute keine Erschwernis haben, wenn sie ein Eigenheim kaufen wollen oder ihre Immobilie altersgerecht sanieren wollen.

Ebenso kümmern wir uns um Themen wie den „permanenten Lohnsteuerjahresausgleich“: Wenn ich beispielweise als Bedienung einmalig in einem Monat auf dem Cannstatter Wasen viel verdiene, soll es steuerlich nicht so angerechnet werden als würde ich jeden Monat so viel verdienen, sondern auf die Monate verteilt werden. Auch die Grundsteuerreform ist ein Thema. Hier ist eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig: Da geht es um alte Einheitswerte für Grundstücke aus den 1960er Jahren im Westen und im Osten sogar aus den 1930er Jahren. Wir brauchen eine zeitgemäße Bewertung und die Zusicherung, dass die Kommunen weiterhin über die immerhin 13 Milliarden Euro aus der Grundsteuer verfügen können. Viele fürchten, dass es zu Steuererhöhungen kommen könnte. Wir brauchen aber das neue Bewertungsrecht, für faire und einfach zu verwaltende Grundsteuerwerte, ein Ziel der Reform ist dabei Aufkommensneutralität. Das sind relevante Themen für alle, auch wenn die Bezeichnungen häufig etwas formalistisch klingen.

Was war zum Beispiel der Knackpunkt bei den Immobilienkrediten?

Sitzmann: Ausgangspunkt war eine EU-Richtlinie. Sie hatte das aus meiner Sicht richtige Ziel, Immobilienblasen zu verhindern und den Verbraucherschutz zu stärken. Allerdings wurde sie im deutschen Recht restriktiver umgesetzt als von Europa vorgeschrieben. Das hat dazu geführt, dass junge Familien unter Umständen weniger oder gar keine Darlehen mehr bekommen, weil die Frau eventuell schwanger werden und zeitweise kein berufliches Einkommen haben könnte.

Auch für ältere Menschen, die ihre Wohnung altersgerecht sanieren wollen, ergaben sich Hindernisse. Und manche laufenden Kredite konnten nur unter neuen, verschärften Bedingungen verlängert werden. Da haben wir Baden-Württemberger zusammen mit Hessen und Bayern im Bundesrat Korrekturen angestoßen. Vorangegangen waren Beratungen in der Finanzministerkonferenz. Das ist ein schöner Erfolg aus meiner Sicht.

Im Wahljahr kann man auch anderen populären Ärgernissen nachgehen, etwa dem Umsatzsteuerbetrug auf Onlineplattformen. Tut Sie etwas dagegen und wenn ja was?

Sitzmann: Tatsächlich gibt es heftige Verärgerung über große Plattformen im Internet, die für Händler aus allen Ecken der Welt die Waren vorrätig halten, ausliefern und die Abrechnung erledigen. Da gibt es Fälle, in denen man davon ausgehen muss, dass bei den Zöllen schon der Warenwert zu gering angegeben wird und damit Einnahmen fehlen. Und auf der anderen Seite bezahlen die Kunden Mehrwertsteuer, aber die Unternehmen, etwa aus China, führen sie nicht ab. Das ist doppelt dreist: Die Kunden haben die Steuer bezahlt, sie wird aber nicht an den Staat abgeführt. Seit gut einem Jahr gibt es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich um das Thema kümmert.

Und was kommt wann raus?

Sitzmann: Das sind rechtlich überaus komplexe Fragen. Ich bin aber überzeugt, dass man das abstellen kann. Das ist das Ziel. An die Adresse der Verbraucherinnen und Verbraucher sei aber auch gesagt, dass es wichtig ist, sich zu beschweren und darauf zu bestehen, eine Rechnung zu bekommen, auf der die Mehrwertsteuer ausgewiesen ist. Sollte das nicht der Fall sein, kann man sich an die Finanzbehörden wenden. Wenn uns Einzelfälle bekannt werden, gehen wir denen nach.

Der Bürger hat aber mindestens ein so großes Interesse, dass diese Konzerne ebenso wie sie selbst Gewinnsteuern zahlen…

Sitzmann: Das ist uns natürlich ein großes Anliegen. Auf der Basis der Gesetze und hier speziell dem Steuerrecht, sollen alle ihren Anteil leisten, damit wir unsere Infrastruktur und Aufgaben finanzieren können. Wir tun tatsächlich alles, was möglich ist, solche Missstände abzustellen.

Gibt es in Ihrer Finanzminister-Runde auch einen Wolfgang Schäuble zu erleben, der sagt: Tilgt doch endlich eure Schulden, sonst schafft Ihr 2020 die Schuldenbremse nicht?

Sitzmann: Das Bundesfinanzministerium sitzt mit uns am Tisch, hat eine beratende Funktion und bringt seine Position ein. Umgekehrt können wir auch, etwa am Beispiel der Immobilienkredite, Signale Richtung Bundesregierung senden. Selbstverständlich sind die Interessen des Bundes und der Länder nicht zwingend deckungsgleich. Länder und der Bund wollen, dass die Einnahmen möglichst bei ihnen landen und sie ihre Aufgaben gut erledigen können. Aber in den Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanz-Beziehungen wurde im Dezember vergangenen Jahres bereits ein guter Kompromiss gefunden. Der Bundesfinanzminister selbst war noch auf keiner Finanzministerkonferenz, solange ich dabei bin. Bisher war immer ein Staatssekretär dabei. Aber ich habe Wolfgang Schäuble eingeladen nach Konstanz zur Jahres-Finanzministerkonferenz. Es würde mich natürlich freuen, wenn er käme.

Warum fiel die Wahl aufs Konstanzer Inselhotel als Tagungsort?

Sitzmann: Selbstverständlich will ich den Kolleginnen und Kollegen auch schöne Regionen und Fleckchen im Land zeigen. Nach Südbaden zu gehen und insbesondere nach Konstanz, wo wir noch das Konziljubiläum feiern, lag mir am Herzen. Die Stadt hat ein besonderes Ambiente und eine richtig tolle Umgebung, die wir nach den Besprechungen genießen wollen.

An der guten öffentlichen Anbindung kann es kaum gelegen haben. Wie reisen Sie an?

Sitzmann: Ich komme sicher mit dem Dienstwagen, andere reisen über den Flughafen Zürich an. In Konstanz selbst bewegen wir uns aber gemeinsam zu Fuß, mit dem Bus und dem Schiff. Das Programm steht: Wir fahren auf die Insel Mainau, besichtigen die Altstadt, planen eine Fahrt mit der historischen Fähre Konstanz auf dem See und hoffen daher auf schönes Wetter.

Die Fragen stellte Gabi Renz vom Südkurier am 13. Februar 2017.

Quelle:

Das Interview erschien am 20. Februar 2017 im Südkurier.
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