„Garry Fabian hat Wege und Schmerzen auf sich genommen, um als einer von nur zwei Stuttgarter Überlebenden von Theresienstadt jene Kräfte in unserem Land zu stärken, die aus der Geschichte lernen wollen. Er hat sich nicht nur Orten, sondern auch den Fragen und Diskussionen mit Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern gerade auch der jüngeren Generationen gestellt und dadurch vieles und viele verändert“, sagte Staatssekretär Klaus-Peter Murawski bei der Verleihung der Staufermedaille in Gold an Gerhard „Garry“ Fabian in Stuttgart.
Geboren in Stuttgart, wanderte die Familie von Garry Fabian 1936, nach Inkrafttreten der infamen, antisemitischen Nürnberger Gesetze, in die Tschechoslowakei aus und betrieb dort eine kleine Fabrik. Im November 1942 wurde Garry Fabian mit seiner Familie aus Prag ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. „Garry Fabian hat als Kind erlebt und gesehen, was eigentlich kein Kind jemals hätte erleben oder sehen dürfen: Die Bilder vom Schrecken der Flucht und Vertreibung, vom Leben in Staatenlosigkeit und Illegalität, vor allem aber die Bilder vom Sterben in dem völlig überfüllten und unterversorgten Lager haben Garry Fabian tief geprägt“, so Staatssekretär Klaus-Peter Murawski im Rahmen der Verleihung.
Garry Fabian habe durch den Massenmord der Nationalsozialisten viele Angehörige verloren und doch wie durch ein Wunder gemeinsam mit seinen Eltern überlebt. „Nicht nur sein Körper hat diese furchtbare Zeit überstanden, sondern auch sein Geist und Wille“, so Murawski. Auf abenteuerlichen Wegen, über Paris und die USA, sei er mit seiner Familie nach Australien gelangt. „Das erste Land, das ihm endlich Aufnahme und Heimat zusagte“, betonte der Staatssekretär. Dort baute er sich mit beeindruckender Energie ein Leben auf: Garry Fabian holte die Schule nach und erwarb später sogar Universitätsabschlüsse. Er diente in der australischen Marine und erwarb die australische Staatsbürgerschaft. „Garry Fabian hat sich beruflich außerordentlich engagiert, aber auch ehrenamtlich im jüdischen B’nei Brith-Bund eingebracht, in dem er bald Leitungsämter innehatte“, so Murawski.
„Niemand hätte es Garry Fabian verübeln können, wenn er nach all den furchtbaren Geschehnissen nie wieder Europa oder gar Deutschland aufgesucht hätte“, betonte Staatssekretär Murawski. 1981 fragte Garry Fabian aber in Stuttgart an, ob die Stadt nicht auch – wie es andere deutsche Städte bereits taten – Überlebende der Schoah willkommen heißen würde. Zunächst hieß es „Nein“, dann „Doch“ und schließlich bat man ihn um Verständnis, dass zuerst ältere Überlebende eingeladen werden würden. „Insgesamt 19 Jahre hielt er seiner Geburts- und Landeshauptstadt geduldig die Treue und erkundigte sich alle paar Jahre, ob und wann denn sein Geburtsjahrgang willkommen wäre“, unterstrich Murawski. „Im Juni 2001 ist es dann soweit gewesen.“
„Als Garry Fabian hörte, dass sich in Stuttgart nach einem furchtbaren Brandanschlag mit sieben toten Zuwanderern die Stiftung ‚Geißstraße 7‘ gegründet hatte, um gegen Intoleranz und Rassismus zu kämpfen, da reichte er diesen engagierten Stuttgarterinnen und Stuttgartern die Hand“, betonte der Staatssekretär. Im September 2003 beteiligte sich Garry Fabian an einem Projekt, mit dem er und die in New York lebende Überlebende Inge Auerbacher gemeinsam mit einer Gruppe von Stiftungsmitgliedern, Historikern und vor allem jungen Leuten nach Theresienstadt fuhren. „Die dabei entstandene Dokumentation des SWR hat sehr viele Menschen der verschiedensten Altersstufen in unserem Land sehr bewegt und teilweise auch geprägt“, so Murawski.
In seiner Biographie „Blick zurück. Wie ein Stuttgarter Junge das KZ Theresienstadt überlebt hat.“ habe Garry Fabian geschrieben: „Wir dürfen die Vergangenheit nie vergessen, aber es ist auch wichtig, von den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit eine Brücke zu schlagen hin zu einer besseren Zukunft, in der so etwas hoffentlich nie wieder geschieht.“ Garry Fabian selbst ist ein solcher Brückenbauer. Er hat uns an der Vergangenheit seines Lebens und seiner Familie teilhaben lassen, an seiner Trauer, seinem Lebensmut und seiner Versöhnungsbereitschaft. Garry Fabian hat damit nicht nur an unsere Vergangenheit erinnert, sondern einen wertvollen Beitrag für unser aller Zukunft erbracht“, würdigte Staatssekretär Murawski den Appell und das Wirken von Garry Fabian.