Interview

„Große Verantwortung, im Naturschutz mehr zu tun“

Alexander Bonde - Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Baden-Württemberg müsse im Naturschutz mehr tun und brauche einen Nationalpark, sagt Minister Alexander Bonde im Interview. Von dem Projekt würden der Schwarzwald und das ganze Land profitieren.

Herr Bonde, warum ist der Nationalpark das Aushängeschild der Landesregierung?

Alexander Bonde: Wir haben eine große Verantwortung, im Naturschutz mehr zu tun. Baden-Württemberg ist hinten dran, wenn es darum geht, Flächen zur Verfügung zu stellen, wo wir sagen: Natur kann hier Natur sein. Wir können uns nicht vor unserer Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt drücken. Dazu braucht es auch bei uns einen Nationalpark.

Reicht für diese Ansprüche eine Fläche von gerade mal zehn auf zehn Kilometer?

Bonde: Ein Nationalpark ist ein wichtiger Schritt. Die vorgesehenen 10.000 Hektar sind die Mindestgröße für einen Nationalpark. Hier ist der Mensch Beobachter, der nicht mehr eingreift. Natürliche Prozesse können ungestört ablaufen, und es entstehen Lebensräume, die es im bewirtschafteten Wald kaum mehr gibt.

Und der finanzielle Aufwand lohnt sich auch?

Bonde: Ja. Denn jede weitere ausgestorbene Art ist unwiederbringlich verloren. Es ist moralische Verpflichtung, aber auch ökonomische Vernunft, das Artensterben zu stoppen. Der Nationalpark ist zentraler Bestandteil der Naturschutzstrategie des Landes. Er ist auf Dauer aus dem Naturschutzhaushalt finanziert, dieser Haushalt steigt von 30 Millionen im Jahr 2010 auf 60 Millionen im Jahr 2016. Zudem bringt der Nationalpark dem ganzen Schwarzwald neue regionalwirtschaftliche Chancen.

In Ihrem Wohnort Baiersbronn ist der Widerstand besonders heftig. Warum konnten Sie dort nicht überzeugen?

Bonde: Im Land und in der Region ist eine klare Mehrheit der Menschen für das Projekt. Die Mehrheit der Nationalparkgemeinden unterstützt das Projekt ebenso wie der Naturpark und eine Mehrheit der Stadt- und Landkreise. Es ist schade, dass es in einzelnen Orten diese breite Zustimmung nicht gibt. Ich bedaure, dass da zum Teil mit sehr unsachlichen Kampagnen und falschen Behauptungen Stimmung gemacht wurde. Aber es ist eine Erfahrung aus allen Nationalparken: Vor der Gründung ist das ein sehr emotionales Thema, danach werden die Vorteile schnell erkannt. Mit der breiten Zustimmung in der Region sind wir da schon wesentlich weiter als andere Nationalparkprojekte.

Eine allgemeine Zustimmung würde auch der Bürgernationalpark der CDU nicht schaffen?

Bonde: Dieser Vorschlag aus Teilen der Union erfüllt die geltenden Kriterien nicht. Er wäre schlicht eine Mogelpackung. Die Kriterien wurden in Deutschland 2008 festgelegt, und damals hat auch Baden-Württemberg zugestimmt. Zuständiger Fachminister war damals Peter Hauk. Er müsste wissen, dass es mindestens 10.000 Hektar braucht, damit der Schutzzweck – der Ablauf natürlicher Prozesse – möglich wird. Die Union versteckt sich hinter diesem Vorschlag, um sich nicht positionieren zu müssen.

Touristen hegen große Erwartungen. Nun sind Sie auch Tourismus- und Verbraucherschutzminister: Fürchten Sie keinen Etikettenschwindel, wenn die Gäste nur umgestürzte Bäume sehen?

Bonde: Etikettenschwindel wäre das Modell der CDU. Unser Nationalpark erfüllt die nationalen und internationalen Qualitätskriterien. Das wird ein spannendes Ziel für Menschen, die Entwicklungen der Natur beobachten möchten, die es sonst kaum noch gibt. Von dieser Attraktion werden der Schwarzwald und das ganze Land profitieren.

Können Sie den Nutzen näher beschreiben?

Bonde: Wir haben den Mehrwert von der Beratungsgesellschaft PWC untersuchen lassen. Beim Naturtourismus gibt es einen starken Trend. Selbst im schlechtesten Szenario gehen die Gutachter von einer deutlichen Steigerung der Besucherzahlen aus. Das hilft nicht nur dem Tourismus, sondern dem Gewerbe und der gesamten Regionalwirtschaft.

Doch die Sägewerker fürchten Verluste. Sie haben versprochen, fehlende Einschlagsmengen zu kompensieren. Wer bezahlt das?

Bonde: Gar niemand. Da geht es schlicht um eine Steuerung der Holzströme. Wir schlagen im Land durchschnittlich 8,5 Millionen Festmeter jährlich ein. Am Ende der 30-jährigen Entwicklungsperiode des Parks wird auf 75 Prozent der Fläche kein Holz mehr geschlagen. Dann fehlen 30.000 Festmeter – ein Bruchteil des jährlichen Einschlags. Ein paar Tage mehr Schnee und damit weniger Einschlag haben eine viel größere Auswirkung. Die Sägeindustrie hat massive strukturelle Schwierigkeiten – keine hat mit dem Nationalpark zu tun.

Die Privatwaldbesitzer fürchten durch den wachsenden Wildbestand Verbissschäden an ihren Bäumen.

Bonde: Im Nationalpark wird über das Wildmanagement auch gejagt. Darum teilen wir die Befürchtungen nicht. Mit diesem Argument wird der Widerstand scheinrationalisiert: Viele tun sich schwer damit, dass der Mensch nicht mehr überall eingreift. Das ist der eigentliche, emotionale Grund der Ablehnung.

Der deutsche Wald muss einfach aufgeräumt aussehen?

Bonde: Ein wichtiger Punkt in der Diskussion sind Waldbilder. Für viele ist unvorstellbar, dass Holz, das im Wald liegenbleibt, eine wichtige ökologische Funktion hat. Viele Arten finden aber in nicht aufgeräumten Wirtschaftswäldern nicht die Räume, die sie zum Überleben brauchen. Auch immer mehr Menschen haben Sehnsucht nach wildem, ursprünglichen Wald.

Ab wann tagt der Nationalparkrat?

Bonde: Wir sind schon im engen Gespräch. Wir haben den Park bewusst in der Region entwickelt. Alle zentralen Entscheidungen werden vom Nationalparkrat getroffen, da trifft sich die Region stimmgleich mit dem Land.

Die Opposition hat angekündigt, das Gesetz nach einem Wahlsieg zu revidieren. Reicht die parlamentarische Grundlage, die heute geschaffen wird?

Bonde: Kein Nationalpark in Deutschland wurde je wieder abgeschafft. Wenn ich sehe, wie auch erste Investoren bereits Interesse zeigen, bin ich mir sicher: In wenigen Jahren sind alle stolz darauf. Da wird es rückwirkende Vaterschaftsanmeldungen geben, die aus heutiger Sicht sehr verwundern werden.

Quelle:

Südwest Presse /Badische Zeitung

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