Grün-Rot macht’s möglich: Seit Januar 2012 können gleichgeschlechtliche Paare in Baden-Württemberg eine eingetragene Lebenspartnerschaft endlich auch auf dem Standesamt schließen. Wir haben zwei Paare befragt, wie sie den Tag erlebt haben – die einen haben sich vor, die anderen nach der Neuregelung durch Grün-Rot als Lebenspartnerschaft eintragen lassen.
Mai 2002 auf dem Lörracher Landratsamt, kleiner Sitzungssaal. Hierher, wo sonst die Verwaltung tagt, sind Uwe und Manfred Jannikoy gekommen, um sich ihre Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen. Denn auf dem Lörracher Standesamt war das für sie als gleichgeschlechtliches Paar damals nicht möglich.
Es waren viele Hochzeitsgäste anwesend, erinnert sich Manfred Jannikoy, manche seien extra von weiter her angereist. Neben der für eine Hochzeit merkwürdigen Örtlichkeit fällt den Anwesenden auch noch etwas anderes auf: es gibt keinen Standesbeamten. Stattdessen übernimmt der Leiter des Ordnungsamtes die Zeremonie. „Der Mann war redlich bemüht – aber ein richtiges Hochzeitsgefühl kam in dieser Situation natürlich nicht auf“, erinnert sich Jannikoy. „Auch unsere Gäste waren danach entsetzt, wie bürokratisch die Eintragung wirkte. Ich selbst hatte auch nicht das Gefühl, dass ich hier gerade heirate.“
Eher Amtshandlung als Heirat
In Lörrach waren die beiden nicht das erste gleichgeschlechtliche Paar, das die „Erklärung zur Begründung einer Lebenspartnerschaft“ auf dem Landratsamt abgab. „Wir waren allerdings ein Novum für den Beamten, weil wir als erstes Paar auf dem gemeinsamen Familiennamen bestanden“, erzählt Jannikoy, „für meine Namensänderung musste extra ein nach dem hessischen Landesgesetz ausgestelltes Formular herangezogen werden.“ Die Formulare der baden-württembergischen Verwaltung sahen diese Möglichkeit damals nicht vor. Das ganze habe am Ende eher der Unterzeichnung eines Staatsvertrages geähnelt statt einer Hochzeit.
Im Anschluss an den erfolgreich absolvierten „Akt der Bürokratie“ feierten die beiden frisch Verpartnerten mit ihren Gästen in ihrer Lieblingsgaststätte im Lörracher Stadtteil Tüllingen. Wenigstens diesen Teil des Tages konnten sie dem feierlichen Anlass entsprechend begehen.
Erst rund zehn Jahre später ändert sich in Baden-Württemberg diese Situation. Die neue grün-rote Landesregierung beendet noch 2011, im Jahr ihrer Wahl, diese Ungleichbehandlung von homosexuellen Paaren. Nunmehr können sie ihre eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso, dem Anlass angemessen, in schmucken Standesamtszimmern und vor einem Standesbeamten begründen.
Standesamt Tübingen: Unkompliziert und nett
„Der Standesbeamte hat das super gemacht“, erinnert sich Nika Schwab aus Tübingen, „er ist sehr gut auf die Situation, die ja auch für ihn neu war, eingegangen.“ Anfang 2012 haben sie und ihre Partnerin Annette Staebler sich auf dem Standesamt in Tübingen-Pfrondorf das Ja-Wort gegeben. „Das war völlig unkompliziert und total nett“, sagt Schwab. Die beiden waren unter den ersten gleichgeschlechtlichen Paaren, die in Pfrondorf standesamtlich eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen.
Die beiden sind froh, dass sie diese auf dem Standesamt schließen konnten und dafür nicht mehr, wie etwa damals Uwe und Manfred Jannikoy, auf das Landratsamt gehen mussten. Wenn sich die Gesetzeslage in Baden-Württemberg nicht geändert hätte, wären sie laut Schwab wahrscheinlich irgendwann in ein anders Bundesland ausgewichen, in dem die Verpartnerung auf dem Standesamt schon länger möglich ist. Jetzt konnten die beiden das in Tübingen im Beisein vieler Freunde erledigen – „es waren bestimmt noch nie so viele Menschen auf dem Standesamt in Pfrondorf“, lacht Schwab.
Vorreiter für Offenheit und Toleranz
Dass die Verpartnerung gleichgeschlechtlicher Paare nun auf dem Standesamt und zu einheitlichen Gebührensätzen geschlossen werden kann, ist ein wichtiger Fortschritt. Die Landesregierung möchte aber die volle Gleichstellung und hat deshalb im Bundesrat einen Gesetzentwurf für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eingebracht.
Auch in vielen anderen Bereichen bringt Grün-Rot die Gleichstellung voran. So wurde das Beamtenrecht geändert: Verpartnerte lesbische Beamtinnen oder schwule Beamte werden in Versorgung und Besoldung nun gleich behandelt wie Heterosexuelle. In den neuen Bildungsplänen für die Schulen will die Landesregierung darauf hinwirken, dass die Schulen gerade auch beim Thema sexuelle Vielfalt ein Ort der Toleranz und des Respekts sind.
Darüber hinaus hat die Landesregierung einen Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte beschlossen. Mit dem Plan, der unter breiter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Verbänden erarbeitet wurde, möchte sie Diskriminierung aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität abbauen. Baden-Württemberg wird so zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt.
Auch unsere Schulen sollen ein Ort der Offenheit und des Respekts sein. Im neuen Bildungsplan wird deshalb die Akzeptanz von Vielfalt eine wichtige Rolle spielen. Damit Diskriminierung etwa wegen der Hautfarbe, der Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität der Vergangenheit angehört.