Interview

„Elektromobilität wird sich durchsetzen, weil sie Spaß macht“

Verkehrsminister Winfried Hermann in einem Smart Electric Drive von Car2go Stuttgart.

Auf der Stuttgarter Messe I-Mobility präsentieren Autobauer von Donnerstag an umweltschonende Modelle mit Elektro-, Hybrid- oder Gasantrieb. Verkehrsminister Winfried Hermann rechnet im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung damit, dass die spät angelaufene Modelloffensive dazu führen wird, dass Elektroautos bald richtig in Fahrt kommen werden. Der Vorstoß von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt für ein spezielles Stromer-Kennzeichen stößt bei Hermann auf Kritik. 

Herr Minister Hermann, die Landesregierung will, dass Baden-Württemberg zum Pionierland der nachhaltigen Mobilität wird. Das Geschäft mit Elektromobilen floriert derzeit jedoch anderswo. Die Erfindernation des Autos fahre anderen Ländern in Europa mächtig hinterher, kritisiert der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in einer neuen Studie und rechnet vor, dass im letzten Jahr in Deutschland weniger Elektroautos neu auf die Straßen kamen als in Frankreich oder Norwegen, wo der Staat für massive Kaufanreize sorgt. Dudenhöffer orakelt gar, dass die Elektromobilität in Deutschland abzusterben drohe.

Es ist wahr, dass es mit der Elektromobilität langsamer vorangeht, als alle gehofft  hatten. Wahr ist auch, dass die deutsche Autoindustrie länger als erwartet gebraucht hat, um erwerbbare Wagen mit alternativen Antrieben auf den Markt zu bringen. Es gab zwar seit vielen Jahren Prototypen, aber bezahlbare Serienfahrzeuge waren bisher Mangelware. Doch das ändert sich jetzt. Das Kraftfahrtbundesamt hat berichtet, dass im März in Deutschland 823 Wagen mit Elektroantrieb neu zugelassen worden sind. Das ist zwar immer noch eine kleine Zahl, aber immerhin ein Plus von 330 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, dass bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million Elektroautos auf den deutschen Straßen unterwegs sind. Immer mehr Fachleute sagen voraus, dass dies nur unter günstigsten Bedingungen zu schaffen sein werde. Wie stehen Sie zu diesem Ziel?

Wir haben dieses Ziel auch in der vergangenen Woche in der Konferenz der Verkehrsminister diskutiert und wir waren uns einig: Wenn man sich keine ehrgeizigen Ziele steckt, wird man auch nichts erreichen. Es ist gewiss eine Herausforderung, aber wenn wir uns anstrengen, können wir es schaffen. Die deutschen Autohersteller haben mittlerweile eine Modelloffensive bei den alternativen Antrieben gestartet. Es kommt neben dem E-Smart nun auch die elektrische B-Klasse, BMW bietet den i3, VW bringt den Up und den Golf mit Elektroantrieb. Der Verband der Automobilindustrie hat angekündigt, dass bis zum Ende dieses Jahres 16 Serienmodelle mit Elektroantrieb von deutschen Herstellern auf dem Markt sein werden. Wenn jetzt das Angebot steigt, werden auch die Neuzulassungen weiter zunehmen. Das geht jetzt richtig los.

Sie waren vor kurzem in Korea und Japan, um sich dort zu informieren, was der Südwesten beim Ausbau der nachhaltigen Mobilität von Asien lernen kann. Welche Erkenntnisse haben Sie von dieser Reise mitgebracht?

Bei der Hybridtechnologie ist Japan weit voraus. Jedes dritte Auto in Japan hat mittlerweile einen Hybridantrieb, das ist schon beachtlich, was sich dort entwickelt hat. Bei den rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen geht es bei den Japanern nicht so schnell voran. In den Gesprächen mit Konzernvorständen hat mich besonders die langfristige Orientierung beeindruckt, das klare Bekenntnis zur Transformation der Automobilflotten vom Hybrid- zum Plug-in-Hybrid-Antrieb, zum Elektroantrieb und zur Brennstoffzelle. Dort wird nicht gewackelt, wenn es am Anfang nicht so läuft wie geplant, dort weiß man, dass diese Transformation ein Projekt ist, das über Jahrzehnte läuft. Und dies ist gewiss ein Schlüssel zum Erfolg.

Vermissen Sie diese Stetigkeit bei den deutschen Autobauern?

Hierzulande neigen die Autovorstände eher zu einem Zickzackkurs. Es fehlt bisweilen die Bereitschaft, auch mal eine Durststrecke in Kauf zu nehmen, in der sich eine neue Technologie noch nicht rechnet. Die Japaner haben das beim Prius mit Hybridantrieb in Kauf genommen und sind heute mit diesem bezahlbaren Auto und dieser Technologie Weltmarktführer. Daimler war in den neunziger Jahren schon sehr weit, hat dann Entwicklungen beim Elektroauto abgebrochen, hat dann wertvolle Jahre verloren, um dann später wieder einzusteigen. Ein ähnliches Hin und Her gab es bei der Brennstoffzelle. Immer wenn ich durch den Schwarzwald fahre, an den einstigen Vorzeigeunternehmen Junghans und Kienzle und an den Kuckucksuhren vorbei, denke ich an die Gefahr, dass die deutsche Autoindustrie diesen Technologiesprung bei den alternativen Antrieben verpasst oder zu spät schafft. Dann ist sie bedroht. Und gerade in Baden-Württemberg hängt das Wirtschaftswachstum sehr stark von der Autoindustrie ab. Deshalb haben wir als Landesregierung ein großes Interesse daran, dass die Autoindustrie diesen Sprung in die Zukunft schafft.

Bisher sind Elektroautos jedoch noch sehr teuer. Welchen Spielraum hat die Politik, um den Kauf attraktiver zu machen?

Man darf nicht nur auf den Preis sehen. Die neuen Elektroautos machen Spaß, sind extrem gut zu fahren. Zudem sind die Betriebskosten gering. Sie sind bis 2020 von der Kraftfahrzeugsteuer befreit und die Stromkosten sind minimal. Wenn man sie daheim an der Steckdose auflädt, merkt man das im Vergleich zu den Spritpreisen an den Zapfsäulen kaum. Zudem wollen wir eine Plakette einführen, mit der besonders umweltfreundliche Fahrzeuge Privilegien im innerstädtischen Verkehr erhalten. Dazu haben wir im vergangenen Jahr eine Bundesratsinitiative gestartet. Die Bundesregierung muss nun handeln.

Bundesverkehrsminister Dobrindt hat ja kürzlich darauf reagiert. Er hat kürzlich angekündigt, dass Elektroautos ein eigenes Kennzeichen erhalten sollen, mit dem sie dann die Busspur benutzen oder kostenlos parken dürfen.

Wir halten ein eigenes Kennzeichen für Elektroautos für europarechtswidrig. Denn ein Elektroauto aus Frankreich beispielsweise könnte dann nicht die gleichen Privilegien in Anspruch nehmen wie ein deutsches. Deshalb sind wir für eine blaue Plakette für die Windschutzscheibe. Die kann man leicht an der Grenze ausgeben, ein Kennzeichen jedoch nicht.

Sind Sie sich denn bei den anderen Vorschlägen mit Dobrindt einig, etwa bei der Nutzung von Busspuren?

Die Länder lehnen dies einmütig ab. Wenn der Vorschlag Erfolg hätte, würden die Elektroautos die Busspuren blockieren. Wir wollen jedoch nicht mehr umweltfreundliche Autos auf Kosten des öffentlichen Nahverkehrs. Dann hätten wir insgesamt für den innerstädtischen Verkehr und die Umwelt nichts gewonnen. Entscheidender sind privilegierte Parkplätze, an denen die Elektroautos auch aufgeladen werden können. Ich könnte mir mittelfristig auch vorstellen, dass Elektroautos in bestimmten innerstädtischen Zonen fahren dürfen, andere Autos jedoch nicht. Ähnliche Privilegien könnte ich mir im Rahmen eines Citylogistik-Konzeptes auch für E-Lieferwagen vorstellen.

Messe i-Mobility

Quelle:

Stuttgarter Zeitung. Die Fragen stellte Harry Petzlaff

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