Reportage

Neues Erfolgsmodell bei der Erzieherausbildung

Erzieherin und Kind beim Puzzeln

Die Landesregierung hat die klassische Erzieherausbildung mit der praxisintegrierten Ausbildung (PIA) ergänzt. Das bundesweit einzigartige Modell richtet sich vor allem an Menschen, die bereits eine andere Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben – und ist ein voller Erfolg. Wir haben eine PIA-Auszubildende getroffen.

In Baden-Württemberg läuft momentan ein spannender Versuch in Sachen Erzieherausbildung. Neben der klassischen Berufsausbildung mit zwei Jahren an der Berufsschule und einem Anerkennungsjahr hat die Landesregierung ein zweites Ausbildungsmodell für zukünftige Erzieherinnen und Erzieher ins Leben gerufen. Es richtet sich vor besonders an Menschen mit beruflicher Vorerfahrung.

Klassische Ausbildung nicht finanzierbar

„Ich habe recherchiert und mir ausgerechnet, dass ich mir die Erzieherinnenausbildung ohne Vergütung nicht leisten kann“, sagt etwa die 29-jährige Anne. Denn die beiden Jahre in der Berufsschule werden bei der klassischen Erzieherausbildung nicht bezahlt. Für 16- und 17-Jährige Erzieher-Azubis, die meist noch bei ihren Eltern wohnen, ist das seltener ein Problem. Für Anne dagegen, die nach ihrem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften bereits ein Jahr als Personalreferentin gearbeitet hatte, waren die zwei Jahre Schule ohne eigenes Einkommen zunächst nicht finanzierbar. Die geplante Umorientierung drohte zu platzen.

Dann jedoch stieß sie auf die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) in Baden-Württemberg, einem bundesweit einmaligen Ausbildungsmodell für Erzieherinnen und Erzieher – und war sofort begeistert. „Wir haben immer zwei Tage Praxis und drei Tage Schule. Außerdem sind wir mit einem Ausbildungsvertrag fest bei einem Träger angestellt“, so Anne. Das heißt auch: ab dem ersten Ausbildungstag bekommen die PIA-Azubis ein Gehalt. Das Modell ermöglichte es Anne, ihrem, wie sie es sagt, „Herzenswunsch“ zu folgen. Nach einem absolvierten Praktikum, um mit der Entscheidung wirklich sicher zu sein, startete sie zum Schuljahr 2012/2013 eine praxisintegrierte Erzieherausbildung. Im ersten Jahr bekommt sie nun rund 793 Euro, im zweiten rund 843 Euro und im dritten Jahr rund 889 Euro.

Nach der Ausbildung breit aufgestellt sein

Entspannt sitzt sie im Foyer der Ludwigsburger Mathilde-Planck-Schule, die sie dreimal in der Woche besucht, und schwärmt von ihrem neuen Job. „Ich kann jetzt viel mehr ich selbst sein“, sagt sie, „meine große Empathie, die in meinem vorherigen Beruf eher ein Defizit war, kann ich jetzt viel besser einbringen. Es ist toll, die Kinder zu begleiten, die Entwicklungsschritte zu sehen.“ Man könne als Erzieher oder Erzieherin so viel ausprobieren und viele eigene Interessen einbringen. Zum Beispiel habe sie neulich mit den Kindern mal alte Elektrogeräte auseinander genommen, um sich deren Innenleben genauer anzuschauen. Bei ihrem Träger, der Caritas in Stuttgart, ist sie momentan in der Nachmittagsbetreuung beschäftigt, wird im Laufe der Ausbildung aber auch noch Krippe und Kindergarten kennenlernen. Es sei wichtig, sagt sie, dass man alle Altersstufen durchmache, damit man hinterher breit aufgestellt sei.

Auch bei den Trägern kommt die praxisintegrierten Ausbildung gut an. „Der allergrößte Vorteil von PIA für uns ist, dass wir selber ausbilden können“, sagt Manuel Huber von der Jugend- und Familienhilfe der Caritas in Stuttgart. Bei der klassischen Erzieherausbildung seien die Azubis eben nur im abschließenden Anerkennungsjahr regelmäßig in der Einrichtung; bei PIA dagegen von Anfang an. „Die Jüngeren merken außerdem oft während des Anerkennungsjahres, dass sie doch noch studieren wollen oder erstmal eine Weltreise machen möchten. Das sind natürlich absolut nachvollziehbare Wünsche“, so Huber. Für die Caritas aber bedeute das jedes Mal einen Arbeitskraftverlust. Bei den PIA-Azubis dagegen sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie später in dem Beruf und bei ihrem Träger blieben. Aus Sicht der Personalplanung ein deutlicher Vorteil.

Lebenserfahrung ist von Vorteil

Auch die bereits vorhandene Berufs- und Lebenserfahrung, zwar in teilweise völlig fachfremden Bereichen, wird von den Einrichtungen grundsätzlich begrüßt. „Das ist schon ein Unterschied, ob eine 19-Jährige mit Eltern über die Entwicklung ihres Kind spricht oder jemand, der etwas älter ist und schon Erfahrung mitbringt“, so Huber. Natürlich lerne das mit der Zeit auch ein Azubi, der die klassische Ausbildung absolviert. Dennoch: Lebenserfahrung sei in sozialen Berufen immer von Vorteil. Auch die 43 Schülerinnen und Schüler in den beiden PIA-Klassen an der Mathilde-Planck-Schule kommen aus völlig verschiedenen Branchen, von Modedesign bis hin zur ausgebildeten Gärtnerin.

Anne ist unter den 579 ersten PIA-Azubis, die ihre Ausbildung zum Schuljahr 2012/2013 begonnen haben, nachdem die Landesregierung das neue Modell im Jahr 2011 beschlossen hatte. Zum Schuljahr 2013/2014 waren es dann mit 1.223 schon mehr als doppelt so viele, immerhin gut 15 Prozent der beiden Jahrgänge sind Männer. Nur fünf Prozent der PIA-Azubis des zweiten Jahrgangs sind dabei unter 18 Jahre alt, mit etwa zwei Dritteln stellen die 18- bis 25-Jährigen die größte Gruppe. Auch 2014/2015 ist der neue Ausbildungsjahrgang wieder sehr erfolgreich gestartet. An den Fachschulen für Sozialpädagogik haben über 1.416  Schülerinnen und Schüler die Ausbildung begonnen.

Die praxisintegrierte Ausbildung soll der klassischen Erzieherausbildung aber keine Konkurrenz machen. Vielmehr hat die Landesregierung mit PIA einen zusätzlichen Ausbildungsweg geschaffen, der sich an eine andere Zielgruppe richtet. Ziel ist es, mehr Menschen für eine Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher zu begeistern. So trägt das neue PIA-Modell einen wichtigen Teil dazu bei, den steigenden Personalbedarf in den Kitas zu sichern.

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