Die Energiewende ist ein Kernprojekt der Landesregierung. Bei der Windkraft musste sie nach dem Regierungswechsel jedoch praktisch bei Null anfangen, sagt Umweltminister Franz Untersteller im Interview mit der Südwest Presse. Zunächst mussten die Voraussetzungen für einen konsequenten Ausbau der Windräder geschaffen werden. Doch jetzt zeigt sich Licht am Ende des Tunnels: Immer mehr Windkraftanlagen sind in Planung, im Genehmigungsverfahren oder in Bau.
Südwest Presse: Welche Rolle spielen Bioenergiedörfer für die Energiewende?
Franz Untersteller: In einem Flächenland mit großen ländlichen Räumen spielen sie eine tragende Rolle. Bundesweit gibt es geschätzt rund 250 Bioenergiedörfer, davon allein 80 in Baden-Württemberg. Wo früher millionenschwere Überweisungen für Gas nach Russland oder für Öl in den Nahen Osten gingen, bleibt das Geld nun in der Region. Alle profitieren: die Bauern, der Forst, die Umwelt und die Bürger, die ihren alten Heizungskeller neu nutzen können.
Eine tragende Rolle soll auch die Windenergie spielen. 2014 sind im Land aber nur sieben Anlagen neu ans Netz gegangen. Was läuft schief?
Untersteller: Es läuft nichts schief! Aber wir mussten nach dem Regierungswechsel praktisch bei Null anfangen. Die schwarz-gelben Vorgänger hatten fast alle Gebiete für die Windkraft ausgeschlossen. Wir mussten erst das Planungsgesetz erneuern, einen Windkrafterlass auf den Weg bringen und Daten von windkraftrelevanten Arten wie dem Rotmilan sammeln. Nun sehen wir Licht am Ende des Tunnels.
Was heißt das?
Untersteller: 2014 haben wir 95 Genehmigungen für neue Windkraftanlagen erteilt. In den Vorjahren waren es im Schnitt nur zehn. Derzeit sind sogar rund 250 Anlagen im Genehmigungsverfahren.
2012 hatten Sie für 2014 einen Boom beim Windkraftausbau angekündigt. Kommt der nun 2015?
Untersteller: Wir können Genehmigungen erteilen, das haben wir in großer Zahl schon 2014 getan. Wann Investoren davon Gebrauch machen, liegt bei ihnen. Wir gehen aber davon aus, dass ein Gutteil der 95 genehmigten Anlagen in diesem Jahr ans Netz geht, da ab 2016 die Vergütungen sinken.
Sie streben das Ziel an, dass bis 2020 mindestens zehn Prozent des Stroms aus Windenergie erzeugt wird.
Untersteller: Das Ziel ist ehrgeizig, aber es gibt keinen Grund davon abzurücken. Falls wir es knapp verfehlen sollten, wird die Energiewende daran nicht scheitern. Entscheidend ist: Die Richtung stimmt.
Vor Ort gibt es aber oft Widerstände.
Untersteller: Je länger Fukushima zurückliegt, desto schwieriger wird die Akzeptanz. Immer häufiger erlebe ich die Haltung: ,Die Energiewende ist ja richtig, aber bitte nicht vor meiner Haustür!' Es gibt Kritik an großen Photovoltaikanlagen, die angeblich zur Verspiegelung beitragen oder an Windkraftanlagen, die angeblich zu Infraschall (in der Regel unterhalb der menschlichen Hörschwelle, d. Red.) führen sollen.
Was sagen Sie den Kritikern?
Untersteller: Beispiel Infraschall: Dazu haben wir eine Studie in Auftrag gegeben. Ergebnis: Den Lärm verursacht allein der Wind, nicht die Anlage. Solche Fakten dürften Kritiker durchaus wahrnehmen.
Bayern reagiert auf Kritik anders: Pläne für den Bau von Stromtrassen hat die CSU auf Eis gelegt.
Untersteller: Das ist fatal! In Bayern und in Baden-Württemberg gehen in den nächsten Jahren große atomare und konventionelle Kapazitäten vom Netz. Daher brauchen die Südländer neben dem Ausbau der Erneuerbaren weiter Strom aus anderen Teilen Deutschlands. Eine Alternative zum Ausbau der Trassen von Nord nach Süd sehe ich nicht. Für die Haltung Bayerns in dieser Frage habe ich null Verständnis.
Interaktive Zwischenbilanz: Das machen wir für die Energiewende
Quelle:
Südwest Presse