Interview

„Unser Ziel ist, dass Baden-Württemberg führende Innovationsregion Europas bleibt.“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut im Interviewgespräch (Foto: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg)

Im Interview mit dem Wirtschaftsbuch 2017 spricht Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut über die Digitalisierung der Wirtschaft und die Rolle Baden-Württembergs als führende Innovationsregion in Europa.

Die gesamte Wirtschaft ist vom digitalen Wandel betroffen. Dabei ist die digitale Transformation für viele Unternehmen eine große Herausforderung – insbesondere im Mittelstand. Ob Cloud Computing, Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder Big Data – die Digitalisierung verändert die Ökonomie rasant und radikal. Früher oder später muss jedes Unternehmen Produkte und Geschäftsmodell anpassen. Alte Märkte verschwinden und neue entstehen. Alte Kostentreiber entfallen, und neue Investitionen werden gebraucht. Dafür werden hohe Umsätze nicht nur mit neuen physischen Produkten wie Smartphones, Wearables oder intelligenten Maschinen gemacht, sondern auch mit virtuellen Produkten und Dienstleistungen.

Wirtschaftsbuch 2017: Frau Hoffmeister-Kraut, Sie haben parallel zur Allianz Industrie 4.0 eine neue Initiative Wirtschaft 4.0 gestartet. Worum geht es dabei?

Nicole Hoffmeister-Kraut: Unser Ziel ist, dass Baden-Württemberg führende Innovationsregion Europas bleibt. Die Digitalisierung gibt uns dafür alle Mittel in die Hand. Dieses Bewusstsein muss aber auch im kleinsten Betrieb im Land ankommen, nicht nur bei den großen. Mit unserer kürzlich gestarteten „Initiative Wirtschaft 4.0“ wollen wir und die beteiligten Partner die Unternehmen im Land und ihre Beschäftigten branchenübergreifend – also auch im Handwerk oder im Dienstleistungsgewerbe – bei der Digitalisierung unterstützen und den deutschen Südwesten als internationalen Premiumstandort für die digitalisierte Wirtschaft noch sichtbarer machen. Insbesondere der Mittelstand muss noch stärker und konsequenter beim Einstieg in das Thema Wirtschaft 4.0 und bei dessen Umsetzung unterstützt werden, damit wir seine Stellung als starker Wirtschaftsfaktor und größter Arbeitgeber im Land auch in Zukunft sichern können.

Gleichzeitig haben Sie die Studie „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ anfertigen lassen, in der insbesondere die Digitalisierung eine große Rolle spielt. Lassen sich daraus konkrete Maßnahmen ableiten, was getan werden muss?

Hoffmeister-Kraut: Ja, mit Bezug auf die digitale Transformation der Handwerksbetriebe hat uns die Studie eine Vielzahl von Handlungsfeldern aufgezeigt. Gemeinsam mit einem Expertenteam wurden diese Empfehlungen in konkrete Aktionsmöglichkeiten überführt, die auch die bestehenden Angebote des Landes und des Bundes berücksichtigt. Die Betriebe müssen einerseits informiert und sensibilisiert werden, das machen wir zum Beispiel mit unseren Digitallotsen. Zum anderen benötigen sie neben Analysewerkzeugen zur Bestimmung ihres Digitalisierungsgrades auch vertiefende Unterstützung für die Konzeption, Entwicklung und Umsetzung einer Digitalstrategie in den Betrieben. Unsere geplanten Projekte und Initiativen setzen an diesen Schwerpunkten an und beinhalten deshalb beispielsweise die Förderung von Digital-Werkstätten zur Erprobung und Demonstration neuer digitaler Anwendungsmöglichkeiten im Handwerk, eine modellhafte Übertragung von „digitalen Innovationspfaden” in die Bildungszentren des Handwerks oder auch die modellhafte Einrichtung einer „Lernfabrik 4.0 für das Handwerk”.

Wo steht das Handwerk im Land im Vergleich zu anderen Bundesländern und Staaten im Bereich der Digitalisierung?

Hoffmeister-Kraut: Laut einer Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks vom Januar 2017 sieht mehr als jeder fünfte Betriebsinhaber die Digitalisierung als Chance mit hoher Bedeutung für das eigene Geschäftsfeld, nur jeder zwanzigste als Risiko. Es gibt auch im Handwerk digitale Pioniere, die sich schon lange mit dem Thema befassen und sehr weit sind. Genauso gibt es aber digitale Nachzügler, vor allem im eher kleinbetrieblichen Bereich. Und mittendrin stehen Betriebe, die grundsätzlich offen sind und auch schon aktiv, die aber noch nicht mit der nötigen Konsequenz das Thema verfolgen. Die Unterschiede hängen auch sehr vom jeweiligen Gewerk ab. Dementsprechend variiert auch der Unterstützungsbedarf. Generell geht es uns mit unserer Förderung um die Neustrukturierung der Unternehmensabläufe, die Nutzung IT-gestützter Lösungen im Produktionsprozess und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger hinken vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land noch etwas hinterher. Sehen Sie das auch so, und wie könnte die Politik helfen?

Hoffmeister-Kraut: Wir begreifen das Themenfeld „Digitalisierung der Wirtschaft“ umfassend nicht nur im Sinne von „Industrie 4.0“, sondern im Sinne von „Wirtschaft 4.0“. Deshalb zielen wir dabei neben der Industrie insbesondere auch auf das Handwerk, den Handel, die Hotellerie und Gastronomie sowie die Dienstleistungswirtschaft. Unser Ansatz dafür ist die „Initiative Wirtschaft 4.0“, die ich anfangs schon erwähnt habe. Sie hat gerade die kleinen und mittelständischen Betriebe im Blick. Durch die Initiative erproben wir zum Beispiel eine Digitalisierungsprämie, mit der wir diese Betriebe branchenübergreifend bei konkreten Digitalisierungsschritten unterstützen. Zudem werden wir regionale Digital Hubs initiieren, mit denen wir die Digitalisierung der Wirtschaft noch stärker in der Fläche des Landes verankern wollen.

Ein wesentlicher Motor der Digitalisierung ist der Breitbandausbau. Was tut sich in diesem Bereich? Sind alle Regionen mit schnellerem Internet versorgt insbesondere auch der ländliche Bereich?

Hoffmeister-Kraut: Industrie 4.0 oder autonomes Fahren sind ohne leistungsfähige Datennetze nicht denkbar. Nötig ist dafür ein massiver Ausbau der Breitband-Infrastruktur. In Baden-Württemberg können heute bereits 77,3 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss von mindestens 50 Megabit pro Sekunde und 93,3 Prozent der Haushalte über eine LTE-Mobilfunkversorgung verfügen. Mit diesen Zahlen liegt Baden-Württemberg in der Spitzengruppe der Flächenländer in Deutschland. Auch im Jahr 2017 werden in Baden-Württemberg wieder deutlich über 100 Millionen Euro für die Breitbandförderung zur Verfügung stehen.

Wie viel Geld stellen Landesregierung und Wirtschaftsministerium für die digitale Aufrüstung zur Verfügung?

Hoffmeister-Kraut: Die eben erwähnten über 100 Millionen Euro des Landes für die Breitbandförderung werden ergänzt durch rund 125 Millionen Euro, die wir als Wirtschaftsministerium zur Verfügung stellen, um die Digitalisierung der Wirtschaft im Land voranzubringen. Das umfasst die Förderung der Projekte unserer neuen „Initiative Wirtschaft 4.0“, aber auch branchenspezifische Maßnahmen wie das Applikationszentrum Industrie 4.0 oder die Unterstützung der Unternehmen bei Querschnittsthemen wie IT-Sicherheit und Arbeit 4.0.

Dann sind das Land Baden-Württemberg und seine Wirtschaft aus Ihrer Sicht gut auf den digitalen Wandel vorbereitet?

Hoffmeister-Kraut: Wir verfügen in Baden-Württemberg über eine sehr gute Ausgangsbasis und können die digitale Transformation daher aus meiner Sicht mit Selbstvertrauen und Optimismus angehen. Im Land läuft schon einiges. Mit unserer „Initiative Wirtschaft 4.0“ wollen wir jetzt den Turbo einlegen und Baden-Württemberg auf dem Weg ins digitale Zeitalter einen ordentlichen Schub verleihen. Dafür haben wir uns in einer „Roadmap Wirtschaft 4.0” auf zehn Handlungsfelder verständigt, die wir gemeinsam mit den Partnern der Initiative bearbeiten wollen. Die Digitalisierung kann nur in enger Kooperation aller relevanten Akteure im Land gelingen. Auf diesem Weg sind wir jetzt dynamisch und gut unterwegs.

Quelle:

Wirtschaftsbuch 2017 – Motor für Wandel und Digitalisierung

Weitere Meldungen

Arbeiter bauen Präzisions-Klimasysteme zusammen, die für die Lithographie-Abteilung in der Chip Produktion eingesetzt werden (Bild: © dpa).
  • Arbeitsmarkt

Arbeitslosigkeit im März nur leicht gesunken

Ein Bus der Linie X1 fährt in Stuttgart auf einer Busspur am Neckartor. (Bild: Sebastian Gollnow / dpa)
  • Nahverkehr

Kostensteigerungen in der Busbranche gedämpft

Eine Frau mit einer VR-Brille sitzt in einem großen Gemeinschaftsbüro.
  • Hochschulen

Start-up-Szene weiter stärken

Eine Ärztin und eine Therapeutin sitzen mit einem medizinischen Stethoskop am Tisch und machen mit einem Laptop und einem Mobiltelefon medizinische Notizen.
  • Digitalisierung

Weitere Förderung von E-Government-Koordinatoren

Touristen stehen an einem Geländer und auf einer Aussichtsplattform und blicken auf eine Stufe der Triberger Wasserfälle, über die Wasser fließt.
  • Tourismusinfrastruktur

Land fördert 37 lokale touristische Projekte

Stuttgart 21 Hbf_innen-Neue_Bahnsteighalle_Bahnsteig_Quelle: DB/plan b_Atelier Peter Wel
  • Stuttgart 21

Gemeinsame Erklärung der Projektpartner von Stuttgart 21

Eine Mitarbeiterin der Firma Lütze fertigt Bauteile für elektronische Steuerungen für Schienenfahrzeuge.
  • Wirtschaft

Wichtiger Impuls für die Wirtschaft

Ausbilderin mit Lehrling
  • Ausbildung

Bundesrat spricht sich für Stärkung der Ausbildung aus

Eine Frau zeigt auf eine Leinwand auf der eine Balkengrafik zu sehen ist (Symbolbild: © dpa).
  • Wirtschaft

Konjunkturprognose für 2024 vorgelegt

Das beschauliche Dorf Hiltensweiler, ein Teilort von Tettnang, wird von der Abendsonne angestrahlt. Im Hintergrund sind der Bodensee und die Alpen zu sehen.
  • Ländlicher Raum

Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft

Wort-Bild-Logo der Kampagne Start-up BW. (Bild: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg)
  • Startup BW

Auftakt des Female Founders FINANCING Forums

Blick auf die Weinberge und Baden-Baden
  • Ländlicher Raum

Impulse für einen zukunfts­fähigen ländlichen Raum

Logo der Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerke
  • Energieeffizienz

Neue Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke

Eine Doktorandin aus Venezuela arbeitet im Labor. (Bild: © dpa)
  • Frau und Beruf

Mentorinnen-Programm für Migrantinnen startet wieder

Wort-Bild-Logo der Kampagne Start-up BW. (Bild: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg)
  • Start-up BW

„Semanux“ im Landesfinale des Start-up-Wettbewerbs

Symbolbild zur Künstlichen Intelligenz mit einem Prozessor und dem Schriftzug "AI Artificial Intelligence Technology"
  • Verbraucherschutz

Künstliche Intelligenz beim Weltverbrauchertag

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 12. März 2024

Eine Doktorandin aus Venezuela arbeitet im Labor. (Bild: © dpa)
  • Forschung

Forschung und Innovation am Oberrhein

Zwei Personen unterhalten sich vor einem Laptop auf dem Start-up-Gipfel.
  • Delegationsreise

Hoffmeister-Kraut reist mit Delegation nach Texas

Petra Olschowski bei der KI Tagung, DHBW, Stuttgart
  • Hochschulen

„Künstliche Intelligenz“ an Hochschulen

ein Junger Mann sitzt an einem Laptop am Schreibtisch beim Lernen.
  • Weiterbildung

Grundbildungsnetzwerk sichert Fachkräftepotenzial

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
  • Wirtschaft

Wirtschaftspolitische Kurs­korrektur in der EU gefordert

Ein Facharbeiter steht im Bosch Werk in Reutlingen vor einer Charge von Radarsensoren für die Automobilindustrie (Bild: © dpa).
  • Wirtschaft

Baden-Württemberg spitze bei Patentanmeldungen

Die Kabinettsmitglieder sitzen am Kabinettstisch der Villa Reitzenstein.
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 5. März 2024

Gruppenbild anlässlich der Breitbandbescheidübergabe am 1. März 2024
  • Digitalisierung

Weitere 100 Millionen Euro für den Breitbandausbau

// //