Interview

Die Risikokultur aktiv mitgestalten

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut im Interviewgespräch (Foto: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg)

Im Interview mit dem VentureCapital Magazin spricht Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut über den Zugang von Start-ups zu Kapital und die Notwendigkeit, auch auf Landesebene immer wieder neue Wagniskapitalfonds zu initiieren.

Trotz einer sich immer weiter entwickelnden Venture Capital-Szene ist der Zugang von Start-ups zu Kapital in Deutschland nach wie vor noch nicht im internationalen Spitzenfeld angekommen. Daher werden von Seiten des Bundes, aber auch der Länder immer wieder neue Wagniskapitalfonds initiiert, die gemeinsam mit privaten Co-Investoren helfen sollen, diese Lücke zu schließen – beziehungsweise ein Stück zu verkleinern.

Interview mit Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, und Dr. Axel Nawrath, L-Bank:

VentureCapital Magazin: In Baden-Württemberg gibt es bereits ein umfangreiches Programm an Wagniskapitalfonds. Welche Überlegungen stehen hinter dem neuen Angebot LEA Venturepartner und wo setzt es an?

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut: Wir haben analysiert, dass gerade in der Wachstumsphase ein Bedarf an Wagniskapital besteht. Unser neuer Wagniskapitalfonds LEA Venturepartner soll mit einem Zielvolumen in Höhe von 50 Millionen Euro in technologiestarke Unternehmen in eben dieser Wachstumsphase investieren. Der Fonds passt perfekt zwischen die schon am Markt befindlichen Frühphasen-Produkte des Landes, wie den Seed Fonds BW und den VC-Fonds BW und den seit einem Jahr aktiven LEA Mittelstandspartner-Fonds. Mit seinem Investitionsschwerpunkt auf Digitalisierung passt er zudem zur Digitalisierungsstrategie des Landes. Der Wagniskapitalfonds wurde unter Federführung des Wirtschaftsministeriums von der L-Bank konzipiert, die als Ankerinvestor agiert und Kapital aus der Privatwirtschaft einsammelt.

Dr. Axel Nawrath: In Baden-Württemberg gibt es nicht nur ein gutes Wagniskapitalangebot. Die rund 50 Millionen Euro, die pro Jahr im L-Bank-Programm Startfinanzierung 80 für riskantere Start-ups bereitgestellt werden, wirken dank einer 80-prozentigen Risikoentlastung wie eine Art „Venture Credit“. Der LEA Venturepartner passt perfekt dazu und sortiert sich im Eigenkapitalbereich zwischen den schon am Markt befindlichen Frühphasenprodukten des Landes – Seedfonds BW und VC-Fonds BW – und dem seit einem Jahr aktiven LEA Mittelstandspartner-Fonds ein. Die vorhandene Förderpalette wird also an einer wichtigen Nahtstelle ausgebaut. Ausgebaut deshalb, weil wir bereits ausschließlich über die L-Bank – mit Unterstützung der LEA Partners – in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich Venture Capital von rund 78 Millionen Euro in diesem Segment vergeben haben. Mit der nun aufgelegten marktgängigen Fondsstruktur wollen wir zusätzliches privates Wagniskapital mobilisieren, indem wir gezielt weitere Investoren insbesondere aus der Finanz- und Privatwirtschaft miteinbeziehen, um so die Wagnisfinanzierungskraft in Baden-Württemberg zu bündeln.

Neben reinem Kapital soll der neue Fonds auch unternehmerisches Know-how in seine Beteiligungen einbringen. Wie setzt sich dahingehend das Managementteam zusammen?

Nawrath: Das Managementteam der LEA Partners baut auf die eigene Expertise und ein starkes Netzwerk an erfahrenen Unternehmern. Die Teammitglieder haben ein in verschiedenen Beteiligungsgesellschaften erworbenes profundes Know-how im Bereich Venture Capital. Eigene unternehmerische Erfahrungen im Gründungsbereich mit erfolgreichem Exit sowie langjährige Tätigkeiten bei internationalen Beratungsgesellschaften und in Leitungspositionen mittelständischer Unternehmen runden das Erfahrungsspektrum ab.

Gibt es beim Investitionsfokus einen bestimmten Schwerpunkt hinsichtlich der Branche oder der Unternehmensphase der Start-ups?

Nawrath: Der Fonds ist auf eine frühphasige Wachstumsfinanzierung ausgerichtet. Bei den Branchen haben wir die baden-württembergischen Innovationscluster im Blick. Die technologische Ausrichtung kann man mit dem Begriff Deeptech umschreiben – also technologische Entwicklungen, die nicht direkt als Produkt sichtbar werden. Wir bewegen uns klar im B-to-B Bereich. Im Fokus stehen also beispielsweise Artificial Intelligence, Augmented & Virtual Reality, Robotics und Industrial Internet of Things. Aber auch Healthtech/Digital Health können wir uns vorstellen.

LEA Venturepartner wird neben den Mitteln der L-Bank und des Landes auch durch Kapital privater Investoren gespeist werden. Wen haben Sie dabei im Blick?

Hoffmeister-Kraut: Die Mitteleinwerbung erfolgt zum einen durch Orientierung an den Stärken der L-Bank und deren Tochter, der LEA Partners als Managementgesellschaft. Deshalb stehen vor allem Finanzdienstleister im Fokus. Die Blaupause hierfür lieferte das Fundraising für den Fonds LEA Mittelstandspartner, der ebenfalls von LEA Partners gemanagt wird. Dieser Fonds hat innerhalb eines Jahres sein Zielvolumen von 100 Millionen Euro erreicht und kann möglicherweise ein Volumen zwischen 150 Millionen Euro und 200 Millionen Euro realisieren. Damit würde der LEA Mittelstandspartner zu den fünf größten Fonds in Deutschland gehören, die auf Wachstumsunternehmen im Umfeld Industrie 4.0 spezialisiert sind. Zum anderen sollen bewusst junge erfolgreiche ehemalige Start-ups gewonnen werden, die selbst noch einen engen zeitlichen Bezug zur eigenen Start-up-Situation haben.

Nawrath: Neben öffentlichen Mitteln haben bereits institutionelle Investoren wie Banken – aus den verschiedenen Säulen – und Versicherungen sowie Unternehmer und Family Offices gezeichnet. Wir werden bei Erreichen des Zielvolumens von 50 Millionen Euro eine breite Investorenbasis aufgebaut haben.

Das Wirtschaftsministerium engagiert sich mit fünf Millionen Euro bei dem neuen Fonds. Wie wichtig ist ein solches Commitment für den Erfolg des Vehikels?

Hoffmeister-Kraut: Wenn das Wirtschaftsministerium selbst direkt mit fünf Millionen Euro ins Risiko geht, dann verdeutlicht dies zum einen die strategische Bedeutung, die Wagniskapital und Start-ups in der Wirtschaftspolitik des Landes einnehmen. Es ist leicht, eine andere Risikokultur von anderen einzufordern. Besser aber ist, diese Risikokultur – natürlich in den Grenzen des haushaltsrechtlich Verträglichen – auch aktiv mitzugestalten. Zum anderen erleichtert es natürlich auch dem Fondsmanagement das Fundraising, wenn das Land als Referenzinvestor fungiert.

Baden-Württemberg verfügt über eine hohe Dichte an mittelständischen Unternehmen und Hidden Champions. Wie planen Sie, diese Betriebe mit den Portfoliounternehmen des neuen Fonds zusammenzubringen?

Nawrath: Hier hilft uns die Nähe zu den bekannten und starken Innovationsclustern in Baden-Württemberg. Speziell in der Früh- und Wachstumsphasenfinanzierung ist es wichtig, dass man vor Ort vernetzt ist. LEA Partners kooperiert eng mit den Netzwerk- und Forschungseinrichtungen im Land – zum Beispiel dem CyberForum in Karlsruhe, Code_n in Stuttgart oder dem KIT. Wir können hier in den bestehenden Strukturen an einem exzellenten Ökosystem für Start-ups weiterbauen.

Hoffmeister-Kraut: Die Vernetzung zwischen Mittelstand und jungen Unternehmen realisieren wir außerhalb des Fonds über die Plattform VentureZphere, die an der Börse Stuttgart angesiedelt ist. Betreiber ist die Finanzplatzinitiative Stuttgart Financial, die seit Jahren ein enger Kooperationspartner des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg ist. Auf dieser Plattform können Kooperationen zwischen Start-ups und Mittelständlern digital vorkonfiguriert werden. Damit dies auf einfache Weise vonstattengehen kann, wird die Plattform von Stuttgart Financial moderiert und die Nutzer auch offline zielgruppenadäquat zusammengebracht.

Frau Dr. Hoffmeister-Kraut, Herr Dr. Nawrath, vielen Dank für das Interview.

Das Gespräch führte Benjamin Heimlich.

Quelle:

Das Interview erschien im Juli 2017 im VentureCapital Magazin – Standorte & Regionen 2017

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